Wie bekommt eine Tier- oder Pflanzenart ihren Namen?
Es kursieren weit mehr Namen für Organismen, als tatsächlich Arten existieren. Viele sterben aber auch aus, bevor sie jemand findet und tauft.
Grundsätzlich gilt: Wer eine Art entdeckt, darf sie auch benennen. Er muss aber zuvor genau recherchieren, ob sie nicht schon bekannt ist. Meint er, das ausschließen zu können, kann er sie der Fachwelt in einer wissenschaftlichen, von Experten begutachteten Publikation vorstellen. Diese Anforderungen schließen die meisten Laien aus, in der Regel sind es also an Unis und Forschungseinrichtungen etablierte Wissenschaftler, die neue Arten vorstellen.
Klingt einfach, wäre da nicht etwa die „Kleine Strandschnecke“, die die Schwierigkeiten des Systems deutlich aufzeigt. Sie ist weit verbreitet, Farbe und Form variieren. „Das Tier taucht mit mehr als 100 unterschiedlichen Namen und Namenskombinationen in der Literatur auf“, schildert An- dreas Kroh vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien. Tatsächlich gibt es weit mehr Namen für Lebewesen, als auf der Erde leben.
Denn noch vor wenigen Jahrzehnten war die Kommunikation unter den Forschern weit schwieriger als heute. „Die Leute wussten oft nichts voneinander“, sagt Kroh. Oder sie kannten sich, merkten aber nicht, dass sie am selben Tier forschten: etwa wenn einst ein Walfänger Teile eines Großsäugers brachte und ein Wissenschaftler den Unterkiefer, ein anderer die Schwanzflosse untersuchte. Manche Entdeckung blieb aber auch in einer allzu speziell ausgerichteten Veröffentlichung versteckt, nationale Register fehlen. Mitunter verhinderte eine fremde Sprache die Erkenntnis, dass bereits Bekanntes gefunden wurde. Heute sei es vor allem schwierig, die stark angewachsene Literatur zu überblicken, so Kroh. Zudem würden ständig neue Arten entdeckt, der Kennt- nisstand ändere sich also dauernd. Um diesem Namenschaos Herr zu werden, arbeitet er mit 500 Forschern rund um den Globus an einer zentralen Datenbank für alle im Meer lebenden Arten: Das „World Register of Marine Species“umfasst zum Abgleich auch ungültige und veraltete Namen.
Humor ist erlaubt
Grundsätzlich geht das System, nach dem Tiere und Pflanzen bis heute benannt werden – nämlich mit lateinischem oder griechischen Gattungsund Artnamen – auf den schwedischen Naturforscher Carl von Linne´ zurück. Internationale Regelwerke legen fest, dass der älteste Name der gültige ist. Sie versuchen aber auch, Namen zu verhindern, die mehr Verwirrung als Ordnung bringen: Der Flohkrebs aus dem Baikalsee durfte etwa nicht Gammaracanthuskytodermogammarus loricatobaicalensis und auch nicht Siemienkiewieziechino- gammarus siemienkiewitschi heißen. Humor hat hingegen durchaus Platz bei den Benennungen: Vini vidivici heißt eine an das Cäsar-Zitat angelehnte, bereits ausgestorbene Papageienart; Vallonia eiapopeia, Vallonia hoppla hoppla und Vallonia tralala sind fossile Grasschnecken; und im Namen des ebenfalls ausgestorbenen Seeigels Vologesia rollingstones ist die britische Rockband verewigt.
Auch Kroh hat schon mehrere Arten entdeckt und etwa den fossilen Schlangenstern Astrodendrum pilleri nach seinem Doktorvater Werner Piller von der Universität Graz benannt. Umgekehrt tragen verschiedene fossile Schnecken und Meerestiere den Namen Krohs.
So manche Art stirbt aber auch aus, bevor sie überhaupt entdeckt – und benannt – wird.