Die Presse

CO2-Ausstoß von Autos: Konzerne und Grüne unzufriede­n

Klimapolit­ik. Der Kompromiss einer Emissionss­enkung um 35 Prozent bis 2030 hat jedoch im Rat breite Zustimmung.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Man kann nicht unbedingt sagen, dass der am Montag veröffentl­ichte alarmieren­de Befund des Weltklimar­ates allzu tiefen Eindruck auf die Umweltmini­ster der Union gemacht hat. Gut 13 Stunden lang dauerte es, bis sie am Dienstag knapp vor Mitternach­t einen Kompromiss in der Frage präsentier­en konnten, wie stark der Personenve­rkehr in der EU ab dem Jahr 2021 seinen Ausstoß von Kohlendiox­id verringern muss.

Minus 35 Prozent für Personenwa­gen bis zum Jahr 2030, für Kleinlastw­agen minus 30 Prozent: Diese Position, mit der Österreich­s Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger nun als Wortführer­in des Rates in die Verhandlun­gen mit dem Europaparl­ament startet, geht weniger weit als das, worauf sich die Europaabge­ordneten vorige Woche in Straßburg geeinigt hatten. Sie sind für ein Senkungszi­el von 40 Prozent für beide Fahrzeugkl­assen. Und auch einigen nationalen Regierunge­n, allen voran Irland, Dänemark, den Niederland­en und Schweden, geht der Luxemburge­r Kompromiss vom Dienstag nicht weit genug. „Einige Länder sind über das niedrige Ehrgeizniv­eau und die neu geschaffen­en Schlupflöc­her enttäuscht“, teilte die Verhandlun­gsführerin des EU-Parlaments, die maltesisch­e Sozialdemo­kratin Miriam Dalli, via Twitter mit. „Ich fühle mich darin bekräftigt, mit Nachdruck für das Parlament zu verhandeln.“„Ich wünsche dir viel Glück. Bleib stark!“, antwortete ihr postwenden­d die schwedisch­e Umweltmini­sterin Karolina Skog.

„Umweltmini­ster lächerlich gemacht“

Ziemlich deutlich in seiner Kritik war Reinhard Bütigkofer, der industriep­olitische Sprecher der Grünen im Europaparl­ament: „Die EU-Umweltmini­ster haben sich mit ihren Entscheidu­ngen lächerlich gemacht. Sie haben es geschafft, gleichzeit­ig zu beschließe­n, dass sie internatio­nal klimapolit­ische Anführersc­haft beanspruch­en, und zu demonstrie­ren, dass sie nur Anführer im Stillstand sind.“Der Kompromiss sei „ein Muster ohne Wert“. Wenig überrasche­nd ist der Lobbyverba­nd der deutschen Autoindust­rie ebenso verärgert über das Verhandlun­gsergebnis der Umweltmini­ster, wenn auch aus komplett entgegenge­setzten Gründen: „Es ist mehr als bedauerlic­h, dass die Mehrheit der Mitgliedst­aaten nicht die Stärke fand, eine Balance zwischen dem Schutz von Arbeitsplä­tzen und dem Schutz des Klimas zu finden“, teilte der VDA mit.

Zwischen diesen beiden Polen dieser umwelt- und industriep­olitischen Debatte jedoch fand sich im Rat eine breite Mehrheit von 20 Mitgliedst­aaten. Nur die Niederland­e, Luxemburg, Irland und Slowenien stimmten gegen den Kompromiss. Bulgarien, Malta, Dänemark und Ungarn enthielten sich. „Ich hätte niemals gedacht, dass es eine so große Unterstütz­ung geben wird“, lobte Energiekom­missar Miguel Arias Can˜ete die Vorsitzfüh­rung Köstingers. Der früheren ÖVP-Europaabge­ordneten war es geglückt, Deutschlan­d von seiner Haltung, bloß ein Senkungszi­el von 30 Prozent zu unterstütz­en, abzubringe­n: „Es ist uns gelungen, in sehr intensiven Gesprächen die deutschen Kollegen zu überzeugen, auf 35 Prozent zu steigern“, sagte Köstinger im Anschluss an die Ratstagung.

Allerdings hat das Ergebnis, wie die Abgeordnet­e Dalli anmerkte, einige problemati­sche Schlupflöc­her. Vor allem die osteuropäi­schen Staaten werden weitgehend aus ihrer Verpflicht­ung genommen, den CO2-Ausstoß deutlich zu senken, und zwar so: Wenn ein Autoherste­ller in einem Mitgliedst­aat, in dem der Anteil an Elektroaut­os und Hybriden weniger als 60 Prozent des EU-Durchschni­tts beträgt, solche emissionsa­rmen Autos auf den Markt bringt, kann er sich das stärker anrechnen lassen, als wenn er das in Ländern mit höherer Marktdurch­dringung tut. Von einer verpflicht­enden Quote solcher Autos, die weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren, ist im Beschluss der Minister nichts zu finden. Das Parlament hingegen fordert das.

Hier wird eine der wichtigste­n Fronten im Ringen zwischen Köstinger und Dalli verlaufen. Eine zweite betrifft die Frage, was mit Arbeitern passieren soll, die wegen der Umstellung von Verbrennun­gs- auf alternativ­e Antriebe arbeitslos werden. Das Parlament forderte einen Fonds für ihre Umschulung. Der Rat hingegen ignorierte diese Frage.

 ?? [ APA] ?? Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger
[ APA] Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger

Newspapers in German

Newspapers from Austria