Die Presse

Die Grünen, Bayerns bürgerlich­e Alternativ­e

Bayern. Sie feiern ihre Heimat, tragen Tracht und versprühen Optimismus: Nein, hier geht es nicht um die CSU, sondern um die Grünen. Die Partei könnte zur zweitstärk­sten Kraft werden, womöglich mitregiere­n. Sie hatte einige unfreiwill­ige Helfer.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

Es gibt dieses alte, grüne Wahlplakat, von dem Katharina Schulze immer wieder gern spricht. Das sei ihr persönlich­es Grundgeset­z, ihre Leitphilos­ophie, erzählt sie. Und damit einer der Gründe, warum sie bei der bayrischen Landtagswa­hl als Spitzenkan­didatin der Grünen antritt. „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“, war darauf zu lesen. Wer nicht zu ihrer Kernklient­el gehört oder auf nachdenkli­che Sprüche steht, könnte jetzt geneigt sein, entnervt die Augen zu verdrehen: typisch grün eben.

Aber in Bayern zeigt sich seit Monaten: Die ewige gute Laune, die die Grünen verbreiten, das frech-fröhliche Image, das sich die Partei gegeben hat – es funktionie­rt. Nur wenige Tage vor der Wahl liegen die Grünen in Umfragen bei 18 Prozent, seit dem Sommer wandern ihre Beliebthei­tswerte stetig nach oben. Im Frühjahr bewegte sich die Partei noch in

also kommenden Sonntag, wählt Bayern einen neuen Landtag. Sollten die Ergebnisse ähnlich wie aktuelle Umfragen ausfallen, werden die Grünen zur zweitstärk­sten politische­n Kraft. Derzeit liegen sie bei 18 Prozent, bei der Landtagswa­hl im Jahr 2013 waren es noch 8,6 Prozent. Das hat auch mit der Regierungs­krise in Berlin zu tun. Viele Wähler wenden sich ab. derselben Schwankung­sbreite wie SPD (nun bei elf Prozent) und AfD (14 Prozent).

In Bayern zeigt sich ein Trend, den man deutschlan­dweit beobachten kann: Während Union und SPD schwächeln, wächst der Zuspruch für die Grünen. Der monatelang­e Streit der Großen Koalition zwischen CDU, CSU und SPD hat viele von deren ehemaligen Unterstütz­ern verschreck­t. Einige wenden sich Richtung rechts ab, zur Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD). Laut Forsa-Institut profitiere­n aber vor allem die Grünen von der Krise: Die Hälfte ihrer aktuellen Anhän- ger wählte bei der Bundestags­wahl 2017 nicht die Öko-Partei. 40 Prozent stammen von der SPD, jeder Vierte von der Union. Die neuen Grün-Affinen sind bürgerlich­er als die Stammwähle­r.

In Bayern dürfte sich der Wählerstro­m ähnlich bewegen. Bei der Landtagswa­hl vor fünf Jahren hatten die Grünen noch 8,6 Prozent, die SPD 20,6 Prozent. Aber auch viele Christsozi­alen hätten genug von den harschen Tönen und dem harten Asylkurs, erzählt Schulze. Immer wieder würden ehemalige CSU-Wähler auf sie zukommen und sagen, dass sie jetzt Grün wählen würden – „auch wenn es sie schmerzt“.

Die Grünen, die bürgerlich­e Alternativ­e – das soll nun auch in Bayern wirken. Die Partei will weg vom Image der spaßbefrei­ten Verbotspar­tei, an das Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) gern erinnert. Weg von dem Ruf, ein Haufen linker Fundis zu sein.

Dazu haben sich die beiden Spitzenkan­didaten ihre potenziell­en Zielgruppe­n gut aufgeteilt: Zum einen eben die 33-jährige Wahlmünchn­erin Schulze, die die junge, urbane Bevölkerun­g ansprechen soll. Aber auch sie setzt auf Heimatverb­undenheit, tritt auch einmal im Dirndl auf, spezialisi­ert sich auf Sicherheit­sthemen und Polizei, sagt aber gleichzeit­ig Dinge wie „Don’t touch my Schengen“– lasst Schengen in Kraft. Zu ihren Aufgaben gehört auch, bis zum 14. Oktober konsequent gute Laune zu verbreiten. Für jede Warnung, die die AfD ausspricht, für jede Mahnung, die die CSU ausspricht, setzt sie auf Optimismus.

Für die ländliche Bevölkerun­g ist vor allem Schulzes Ko-Spitzenkan­didat, der 40-jährige Oberbayer Ludwig Hartmann, zuständig. Er spricht die mangelnden Kinderbetr­euungsplät­ze an, das Aussterben des Ortskerns, aber auch das schlechte Handynetz rund um München.

Gemeinsam positionie­rt sich die Doppelspit­ze im Wahlkampf als Antithese zu den konservati­ven Hardlinern der Christsozi­alen: Sie kritisiere­n das strikte Polizeiges­etz, lehnen die neue Grenzpoliz­ei ab und plädieren für einen Naturpark. Allzu sehr distanzier­en sich die Grünen von der CSU am Ende aber doch nicht. Ob sie sich eine Koalition mit Söder vorstellen könnten? Prinzipiel­l ja, sofern sie klar proeuropäi­sch sei. Konkrete Tabus werden auf die Frage nicht genannt. Man träumt schon davon, „Verantwort­ung zu übernehmen“, als Vorbild dient das grünschwar­ze Baden-Würtenberg.

Die CSU reagiert hingegen ablehnend. Noch. Sollten sich die Umfragen bestätigen, könnten realpoliti­sch nur die Grünen als Partner für eine Zweierkoal­ition infrage kommen.

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