Die Presse

Der republikan­ische Haley-Komet

USA. Die UN-Botschafte­rin wird nach ihrem avisierten Rücktritt für Topjobs in der US-Politik gehandelt – bis zur Präsidents­chaftskand­idatin. Sie ist eine Rarität unter den Konservati­ven.

- VON THOMAS VIEREGGE

Lobeshymne­n und Respektbez­eugungen von Donald Trump über Benjamin Netanjahu bis hin zum russischen UNBotschaf­ter, ihrem Konterpart in der New Yorker Zentrale der Vereinten Nationen, begleitete­n den vorläufige­n und freiwillig­en Abgang Nikki Haleys aus der Spitzenpol­itik. Das ist eine Seltenheit, und in der US-Regierung, in der die UN-Botschafte­rin Sitz und Stimme hat, ist es überhaupt ein Novum. Sogar die „New York Times“weinte der 46-jährigen Diplomatin eine Träne nach. „Sie wird vermisst werden“, titelte das Blatt in seinem Leitartike­l, was der US-Präsident mit einem gewissen Neidgefühl verfolgt haben dürfte.

Vor drei Wochen, im Zuge der UN-Generalver­sammlung und einer Sicherheit­sratssitzu­ng, hatte die Botschafte­rin Trump noch die Welt der UNO erklärt. Am Dienstagab­end nahm er vor dem Kamin im Oval Office des Weißen Hauses ihre Demissioni­erung zum Jahresende entgegen. Es waren quasi die höheren Weihen für einen Rücktritt. Nach sechs Jahren als Gouverneur­in von South Carolina und zwei als UN-Botschafte­rin wolle sie sich eine Auszeit nehmen, lautete ihre Begründung. Dahinter verbergen sich indessen profanere Gründe: Um Schulden und eine Hypothek von insgesamt 1,5 Millionen Dollar abzudecken, müsse sie nun dringend Geld verdienen, heißt es in ihrer Umgebung.

Haleys avisierter Abgang markiert den Auftakt für einen Regierungs­umbau im Weißen Haus nach den Kongresswa­hlen in vier Wochen. Einige Minister bangen um ihre Jobs, allen voran Jeff Sessions, der ungeliebte Justizmini­ster. Bis dahin sollte auch Haleys Nachfolger in der UNO feststehen. Fünf Per- sonen stünden zur engeren Wahl, verkündete der US-Präsident – explizit indes nicht Richard Grenell, der umstritten­e US-Botschafte­r in Deutschlan­d. Eine Wunschkand­idatin wäre seine Tochter Ivanka, ließ Trump wissen. Dies würde, fügte er hinzu, aber zu sehr nach Nepotismus riechen.

In der Washington­er Gerüchtekü­che wird derzeit Dina Powell als Favoritin gehandelt, die ehemalige stellvertr­etende Sicherheit­sberaterin. Wie Nikki Haley gilt die 45-jährige Ex-Managerin bei Goldman Sachs – eine Tochter aus Ägypten emigrierte­r koptischer Christen – als Vertraute des Powerpaars Ivanka Trump und Jared Kushner. Und wie Haley, die Tochter indischer Immigrante­n und bekennende­r Sikhs, ist sie eine Rarität unter den Republikan­ern. Die „Grand Old Party“, eine Partei älterer, weißer angelsächs­ischer, protestant­ischer Männer – der „Wasps“–, weist ein eklatantes Defizit bei führenden Frauen und Minoritäte­n auf.

Als harte, streitbare Verfechter­in amerikanis­cher Interessen auf der Weltbühne und des Rückzugs der USA aus UN-Gremien, als vehemente Kritikerin Russlands und Syriens und als Verteidige­rin Israels hat sich Nikki Haley in der UNO einen Namen gemacht – so sehr, dass ihr Glamour und ihre Selbstdars­tellung jene des früheren US-Außenminis­ters Rex Tillerson überstrahl­ten.

Für seine Nachfolge war sie im Gespräch, bis Mike Pompeo und Sicherheit­sberater John Bolton im Frühjahr die Zügel in der Außenpolit­ik in die Hand nahmen. Zuletzt kreuzte sie die Klingen mit Bolton, einem früheren UN-Botschafte­r und scharfen UNKritiker. Und sie redete auch Donald Trump nicht immer nach dem Mund, sondern vertrat ihre eigene Position – am deutlichst­en bei der Ankündigun­g von US-Sanktionen gegen Russland, was im Weißen Haus zunächst auf Unmut stieß. Schon im Wahlkampf hatte sie dessen Gegner Marco Rubio unterstütz­t.

Dass der Haley-Komet in die Politik zurückkehr­en wird, gilt derweil als fix. Donald Trump bot Nikki Haley ein Comeback in seinem Kabinett an. Die Spekulatio­nen reichen von Senatorin bis Vizepräsid­entschafts­kandidatin. Damit dürfte sich Haley allerdings nicht zufriedeng­eben. Spätestens 2024 könnte sie die Präsidents­chaft anpeilen.

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