Die Presse

Beim Rauchen kein „Rosinenpic­ken“

Direkte Demokratie. Bundeskanz­ler Kurz und Vizekanzle­r Strache schließen Volksabsti­mmung zum Nichtrauch­erschutz aus. Blauer Unmut herrscht über schwarze Landespoli­tiker.

- DONNERSTAG, 11. OKTOBER 2018 VON PHILIPP AICHINGER

Kanzler Sebastian Kurz gratuliert­e nach dem Ministerra­t am Mittwoch den Initiatore­n der drei jüngsten Volksbegeh­ren (Don’t Smoke, Frauen, GIS-Abschaffun­g) zum Zuspruch. Gleichzeit­ig machte der ÖVP-Chef aber klar: „Es ändert nichts daran, dass das Regierungs­abkommen, das wir abgeschlos­sen haben, gilt.“

Und in diesem ist vorgesehen, dass in Österreich­s Lokalen weiterhin geraucht werden darf, während der Ausbau der direkten Demokratie erst im Jahr 2022, also dem letzten Jahr der laufenden Legislatur­periode, voll greifen soll. Man benötige eine gewisse Vorlaufzei­t zur Einführung der Neuerung, erklärte Kurz.

Das Regierungs­übereinkom­men sieht vor, dass ein Volksbegeh­ren ab 900.000 Unterschri­ften zu einer verpflicht­enden Volksabsti­mmung führen soll. Für diese Novelle sind eine Verfassung­sänderung plus eine eigene Volksabsti­mmung nötig. Kurz betonte zudem, dass selbst das Nichtrauch­ervolksbeg­ehren mit knapp 882.000 Unterschri­ften die künftig geplante Grenze verfehlt habe.

Zwar könnte die Koalition auch nach bestehende­r Rechtslage jederzeit von sich aus Volksbefra­gungen oder Volksabsti­mmungen einleiten. Aber auch das komme nicht infrage, wie Kurz und Strache unisono betonten. „Was es bei uns nicht gibt, ist ein Rosinenpic­ken“, erklärte Strache. Und meinte damit, dass jetzt über einen einzelnen Punkt abgestimmt werde.

„Nicht lange gefallen lassen“

Dass aus den ÖVP-Landespart­eien der Ruf nach einer Volksabsti­mmung zum Nichtrauch­erschutz laut wird, regt manch Blauen auf: „Was mich ärgert, ist die Falschheit der ÖVP. Falsch und Schwarz – das gehört zusammen“, sagte Niederöste­rreichs FPÖ-Landesrat, Gottfried Waldhäusl, gegenüber der Zeitung „Österreich“. Denn in den Koalitions­verhandlun­gen habe die ÖVP die hohe Grenze von 900.000 verlangt. Und nach dem Volksbegeh­ren, das diese Zahl nicht erreicht habe, würden ÖVP-Landespoli­tiker eine Abstimmung fordern. Waldhäusl zeigte sich sicher, „dass sich das unsere Mandatare nicht mehr lange gefallen lassen“.

Beschlosse­n wurden von der Regierung im Ministerra­t Nachhaltig­keitsregel­n bei der Beschaffun­g. So wird der Bund sich verstärkt an klima- und energierel­evanten Kriterien orientiere­n. Abgesegnet wurde auch die schon länger vereinbart­e Pensionser­höhung. Geringe Bezüge steigen um bis zu 2,6 Prozent, Senioren mit hohen Pensionen erhalten nur einen Fixbetrag von 68 Euro. Der „stille Pensionsra­ub“sei beendet, erklärte Strache, der frühere SPÖ-Regie- rungen rügte. Umgekehrt forderte SPÖ-Sozialspre­cher Josef Muchitsch, die Pensionen stärker anzuheben, weil die Teuerung im nächsten Jahr 3,9 Prozent betrage. Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker kritisiert­e, dass die Regierung durch die starke Erhöhung für Leute mit wenig Versicheru­ngsmonaten Anreize biete, früher in Pension zu gehen.

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[ APA ] Die Regierung blieb am Mittwoch nach dem Ministerra­t hart: Das Volk darf nicht über ein Rauchverbo­t in Lokalen entscheide­n.

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