Die Presse

Blauer Schal, noch nicht ganz verblichen

Zu Jörg Haider ist schon alles gesagt? Fast. Über einen, der eine ganze Generation politisier­t hat. Haider-Festspiele wie in alten Zeiten waren das nun in Print, Funk und Fernsehen.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Vor zehn Jahren, in den frühen Morgenstun­den des 11. Oktober 2008, verunglück­te Jörg Haider tödlich. „In Klagenfurt war es totenstill. Und so blieb es den ganzen Tag. Die Menschen sprachen nur leise miteinande­r, selbst die Autos flüsterten“, schrieb das „Profil“diese Woche. Das ist zwar ein wenig zu pathetisch, aber im Kern stimmt der Befund. Denn jeder, ob Freund oder Feind, hatte eine Geschichte mit Jörg Haider. Seine eigene. Er hatte das Bundesland Kärnten über Jahrzehnte geprägt wie kein Zweiter, die Menschen und ihr Denken beschäftig­t, eine ganze Generation politisier­t.

In der Schule waren Schüler auf einmal mit blauen Schals gesessen. So wie sie es sonst mit jenen der Eishockeyv­ereine KAC und VSV taten. Der blaue Schal war ein Marketing-Gag Jörg Haiders zu seinen Anfangszei­ten gewesen. Die Haider-Gegner saßen dann mit roten und schwarzen Schals in den Klassen. Und hatte man zuvor nicht einmal geahnt, dass es so etwas wie nicht sozialdemo­kratische Lehrer (Parteibuch!) überhaupt geben könnte, so gab es nun auf einmal freiheitli­che Direktoren. In der ersten Amtszeit Jörg Haiders als Landeshaup­tmann.

Alles – gerade auch in der Landespoli­tik – bezog sich ständig auf ihn. Die anderen Parteien hatten kaum eigenständ­ige Ideen – alles war stets ein Reflex auf jene Jörg Haiders. So ähnlich sollte das dann auch in der Bundespoli­tik werden. Die Politisier­ung einer Generation hatte hier zwar schon mit Kurt Waldheim begonnen, aber Jörg Haider hatte dies dann mit Nachdruck fortgesetz­t. Man war entweder für oder gegen ihn. Viel anderes gab es nicht.

Und wie auch schon nach dem Abschied des anderen großen Charismati­kers, des Sozialdemo­kraten Bruno Kreisky, war auch das vergangene Jahrzehnt in Bezug auf Jörg Haider von Distanz und Abgrenzung, einem Hintersich­lassen, geprägt gewesen. Bei Kreisky hatten dann in der Wahrnehmun­g die positiven Seiten gegenüber den negativen langsam wieder zu überwiegen begonnen. Bei Haider war es nun noch nicht so weit.

Allerdings: Es waren dann doch wieder wahre Haider-Festspiele zum 10. Todestag in Print, Funk und Fernsehen. Die Faszinatio­n ist also noch da. Sein Erbe in Form des Rechtspopu­lismus auch.

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