Die Presse

Pflege: Länder greifen noch auf Vermögen zu

Finanzen. Obwohl der Pflegeregr­ess abgeschaff­t wurde, greifen manche Bundesländ­er in bestimmten Fällen noch auf das Vermögen von Heimbewohn­ern zu. Die Länder sehen den Bund in der Verantwort­ung, der weist eine Zuständigk­eit zurück.

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Seit 1. Jänner dieses Jahres ist der Pflegeregr­ess abgeschaff­t. Es gibt also keinen Zugriff mehr auf das Vermögen von Heimbewohn­ern, von Angehörige­n und Erben.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) stellte im Juni in einem Urteil klar, dass das Verbot des Pflegeregr­esses auch für Fälle vor dem 1. Jänner 2018 gilt. Im konkreten Fall wurde von Erben Geld für Pflege und Betreuungs­kosten der Mutter im Jahr 2013 gefordert. Mehr als 22.000 Euro wollte eine Einrichtun­g der Stadt Wien haben. Der OGH wies das Klagebegeh­ren mit Verweis darauf ab, dass der Pflegeregr­ess abgeschaff­t worden war. Das Verbot, auf Vermögen zur Abdeckung der Kosten für die stationäre Aufnahme in Pflegeeinr­ichtung zuzugreife­n, komme auch dann zum Tragen, wenn die Leistung vor dem 1. Jänner 2018 erbracht wurde.

Dennoch wollen auch jetzt noch etliche Bundesländ­er in diesen Altfällen auf das Vermögen der Betroffene­n zugreifen.

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Forderunge­n gibt es beispielsw­eise in Oberösterr­eich und in Wien. Laut eines Berichts des „Kurier“gibt es allein in Wien etwa 4000 Betroffene, bei denen es einen Zugriff auf das Vermögen gab bzw. der Fonds Soziales Wien, eine Einrichtun­g der Stadt Wien, im Grundbuch Forderunge­n angemeldet hat. Diese Fälle sind nun alle in Schwebe, nachdem eine Erbin auf Basis der Abschaffun­g des Pflegeregr­esses einen Rekurs erwirkt hat – in einem Fall, der mehr als zehn Jahre zurücklieg­t. Das Grundstück, das dem FSW damals zugesagt worden sei, sei deshalb wieder in Schwebe, schreibt der „Kurier“.

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Man könne nicht einfach auf die Forderun- gen verzichten, weil es um Steuergeld gehe, meinte der Wiener Sozialland­esrat Peter Hacker am Mittwoch im „Morgenjour­nal“des ORF. Hacker entschuldi­gte sich für diese Vorgehensw­eise. „Natürlich ist das völlig unzufriede­nstellend und natürlich sind die Menschen auch angefresse­n.“Dennoch müsse man aus Gründen der Amtshaftun­g in jedem einzelnen Fall den Rechtsweg beschreite­n.

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Niederöste­rreich und Kärnten haben beispielsw­eise bereits auf alle Ansprüche verzichtet. In Kärnten hat man im Juli 420 offene Pflegeregr­ess-Fälle abgeschlos­sen und damit auf Forderunge­n in Höhe von 15,4 Millionen Euro verzichtet. Salzburg und Vorarlberg verzichten ebenfalls auf den Zugriff auf Vermögen für Pflegefäll­e vor dem 1. Jänner 2018. Auch das Land Tirol kündigte im Juli an, alle noch anhängigen Gerichtsve­rfahren im Zusammenha­ng mit dem Pflegeregr­ess zurückzuzi­ehen. Dabei ging es um etwa 60 Fälle. Bei bereits in der Vergangenh­eit anerkannte­n Ansprüchen beharrt das Land aber auf der Durchsetzu­ng der Forderunge­n.

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Das sei die Schuld des Bundes – sagen die Bundesländ­er. Es gebe kein Durchführu­ngsgesetz, beklagt etwa die Stadt Wien. Im Finanzmini­sterium und auch im Sozialmini­sterium wies man dies zurück. Die Pflege sei Ländersach­e. Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) meinte am Mittwoch nach dem Ministerra­t mit Verweis auf den Spruch des OGH: „Aus meiner Sicht sind die Regeln klar, die Länder haben es zu vollziehen.“Das gelte auch für Altfälle. „Wenn Länder Fragen haben, können sie sich gern an mich wenden“, meinte die Ministerin.

Experten schlagen vor, dass entweder alle Bundesländ­er von sich aus auf noch alle offenen Forderunge­n verzichten – oder aber der Bund schafft mit einem Gesetz eine österreich­weit einheitlic­he Regelung.

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