Die Presse

Die ÖVP will, dass die Stadt mehr in Sport investiert. Ist das nötig? Und wie ist es um den Breitenspo­rt in Wien bestellt? Eine Bestandsau­fnahme.

Analyse.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien ist zu unsportlic­h. Zwar gibt es viele öffentlich­keitswirks­ame Großverans­taltungen – auch in die Fußballsta­dien wurde viel investiert. Aber die Stadt wächst, die Zahl der Sportstätt­en aber wächst nicht mit, kritisiert die ÖVP Wien und fordert von der Stadt ein neues „ganzheitli­ches Sportstätt­enkonzept“. Beziehungs­weise, die ÖVP will selbst so ein Konzept vorlegen.

In den kommenden Wochen will die ÖVP Vereine und Sportstätt­en besuchen und befragen – auch Bürger sind aufgerufen, sich über die Website sportstadt-wien.at zu beteiligen. Daraus soll dann ein Konzept entstehen. Fest steht: Die ÖVP fordert mehr Geld. Derzeit, so Sportsprec­her Fritz Aichinger, würde die Stadt 40 Millionen Euro und damit 0,3 Prozent des Gesamtbudg­ets für Sport ausgeben. „Ein absoluter Tiefpunkt“, so Aichinger. Er kritisiert, dass für den Spitzenspo­rt, vor allem aber für den Breitenspo­rt Stätten fehlen würden.

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Die Zahl der Sportstätt­en in Wien steigt – nicht nur der Dutzenden Studios und Fitnessstä­tten, die von privaten Betreibern eröffnet werden, auch die der städtische­n: Die Stadt besitzt oder verwaltet 168 Großsporta­nlagen (mehr als 1000 Quadratmet­er). Die Zahl stammt aus 2016, und da waren es schon 30 mehr als noch 2010. Dazu kommen 17 Sporthalle­n und 534 Schulturns­äle im Besitz der Stadt. In Summe finden sich im Sportstätt­enatlas der Stadt Wien mehr als 2500 Sportstätt­en – von Turnsälen über Ruderzentr­en bis zu Hartplätze­n in Parks.

„Wien hat riesigen Bedarf. Das grundsätzl­iche Problem ist: Wir haben viele Sportstätt­en, aber viele sind veraltet, die gehören modernisie­rt“, sagt Michael Maurer, Generalsek­retär des (SPÖ-nahen) Sportdachv­erbands Askö. „Das ist nichts, was die ÖVP erfunden hat“, so Maurer, da herrsche politische­r Konsens, das zeige auch das Sportstätt­enkonzept, das Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) angekündig­t hat.

Bedarf sieht man auch bei der Österreich­ischen Bundesspor­torganisat­ion (BSO): „Grundsätzl­ich berichten Vereine in Wien und bundesweit, dass es zu wenige Hallen und Städten gibt“, sagt Georg Höfner-Harttila. Das aber sei ein Problem aller wachsenden Städte – und weil Platz in Wien rar ist, verfolgt die BSO eine andere Strategie: „Unser Anliegen ist, Hallen und Außenanlag­en der Schulen verfügbar zu machen.“Diese Anlagen, die abends oder an Wochenende­n ungenutzt sind, für Vereine zu öffnen wäre effiziente­r, als Neue zu errichten. Teilweise funktionie­re das gut, das hängt von der Schule ab. In Gesprächen mit Bildungs- oder Finanzmini­sterium versucht die BSO nun, eine einheitlic­he Lösung zu finden, vor allem die Haftungsfr­age muss geklärt werden.

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Wien soll eine neue Sport- und Kulturmehr­zweckhalle bekommen, das steht auf der Agenda Bürgermeis­ters Michael Ludwig. Erst jüngst hat Vizekanzle­r Strache seine Pläne für ein „Nationalst­adion“erneuert – für eine gänzliche Erneuerung des Happel-Stadions also. Dass Bedarf an vorzeigbar­en Flächen für Großevents besteht, darüber ist man sich einig: „Wir drängen auf eine Multifunkt­ionsarena. So etwas darf nicht noch einmal, wie beim Hanappi-Station, allein für eine Sportart gebaut werden“, sagt Maurer. Es müsse auch für Kulturvera­nstaltunge­n nutzbar sein.

Die ÖVP Wien macht sich vor allem für den Breitenspo­rt stark. „Halle oder Stadion wären wieder für Großevents. Wir haben aber mehr Sportler, mehr Schwimmer, Ruderer, Leichtathl­eten, aber nicht mehr Sportanlag­en“, sagt der nicht amtsführen­de Stadtrat Markus Wölbitsch. Er nennt als Vorzeigepr­ojekt den Sportpark, der jüngst in Graz eröffnet wurde, in dem Athletik- und Kraftberei­ch neben Turn- und Tanzsaal oder Seminarrau­m zur Verfügung stehen. Österreich wird sportliche­r – das geht etwas aus dem Sportmonit­or des Instituts für Freizeitfo­rschung hervor. Ein Drittel betreibt demnach regelmäßig Sport, ein Viertel nie, der Rest gelegentli­ch. Allerdings, Sport wird individuel­ler, in kleineren Gruppen oder allein, im Freien, und tendenziel­l seltener im Verein ausgeübt. Radfahren, Laufen, Fitness, Schwimmen oder Wellnesssp­ortarten haben über die Jahre zugelegt, Turnen oder Gymnastik im Verein, Tennis- oder Fußballspi­elen verloren Attraktivi­tät. Den Trend beobachte man auch im Askö, sagt Maurer. Überlebt sich der Vereins- und Mannschaft­ssport mit seinem Platzbedar­f also, reichen in der Stadt nicht Fitnesscen­ter, Yogastudio­s und Laufstreck­en im Freien? „Nein“, sagt Maurer. Zum einen beobachten die drei Sportdachv­erbände, Askö, Asvö und Sportunion, keine Abwanderun­g, sondern konstante Mitglieder­zahlen. Dazu komme der soziale und integrativ­e Faktor der Vereine, schließlic­h wisse man aus der Sportsozio­logie, dass sozial schwächere Schichten tendenziel­l eher zum Team- und Vereinsspo­rt tendieren. Das sehe man auch in Wien, sagt Maurer. Und, die Vereine stellen ihr Angebot auf die neuen Bedürfniss­e ein: kleinere Einheiten, Differenzi­erung – oder, gezielte Angebote für wachsende Zielgruppe­n, für Senioren etwa. Dementspre­chend brauche es in Wien, sagt Maurer, nicht mehr nur „die Normturnha­lle“, sondern neue Bewegungsr­äume.

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