Die ÖVP will, dass die Stadt mehr in Sport investiert. Ist das nötig? Und wie ist es um den Breitensport in Wien bestellt? Eine Bestandsaufnahme.
Analyse.
Wien ist zu unsportlich. Zwar gibt es viele öffentlichkeitswirksame Großveranstaltungen – auch in die Fußballstadien wurde viel investiert. Aber die Stadt wächst, die Zahl der Sportstätten aber wächst nicht mit, kritisiert die ÖVP Wien und fordert von der Stadt ein neues „ganzheitliches Sportstättenkonzept“. Beziehungsweise, die ÖVP will selbst so ein Konzept vorlegen.
In den kommenden Wochen will die ÖVP Vereine und Sportstätten besuchen und befragen – auch Bürger sind aufgerufen, sich über die Website sportstadt-wien.at zu beteiligen. Daraus soll dann ein Konzept entstehen. Fest steht: Die ÖVP fordert mehr Geld. Derzeit, so Sportsprecher Fritz Aichinger, würde die Stadt 40 Millionen Euro und damit 0,3 Prozent des Gesamtbudgets für Sport ausgeben. „Ein absoluter Tiefpunkt“, so Aichinger. Er kritisiert, dass für den Spitzensport, vor allem aber für den Breitensport Stätten fehlen würden.
1
Die Zahl der Sportstätten in Wien steigt – nicht nur der Dutzenden Studios und Fitnessstätten, die von privaten Betreibern eröffnet werden, auch die der städtischen: Die Stadt besitzt oder verwaltet 168 Großsportanlagen (mehr als 1000 Quadratmeter). Die Zahl stammt aus 2016, und da waren es schon 30 mehr als noch 2010. Dazu kommen 17 Sporthallen und 534 Schulturnsäle im Besitz der Stadt. In Summe finden sich im Sportstättenatlas der Stadt Wien mehr als 2500 Sportstätten – von Turnsälen über Ruderzentren bis zu Hartplätzen in Parks.
„Wien hat riesigen Bedarf. Das grundsätzliche Problem ist: Wir haben viele Sportstätten, aber viele sind veraltet, die gehören modernisiert“, sagt Michael Maurer, Generalsekretär des (SPÖ-nahen) Sportdachverbands Askö. „Das ist nichts, was die ÖVP erfunden hat“, so Maurer, da herrsche politischer Konsens, das zeige auch das Sportstättenkonzept, das Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) angekündigt hat.
Bedarf sieht man auch bei der Österreichischen Bundessportorganisation (BSO): „Grundsätzlich berichten Vereine in Wien und bundesweit, dass es zu wenige Hallen und Städten gibt“, sagt Georg Höfner-Harttila. Das aber sei ein Problem aller wachsenden Städte – und weil Platz in Wien rar ist, verfolgt die BSO eine andere Strategie: „Unser Anliegen ist, Hallen und Außenanlagen der Schulen verfügbar zu machen.“Diese Anlagen, die abends oder an Wochenenden ungenutzt sind, für Vereine zu öffnen wäre effizienter, als Neue zu errichten. Teilweise funktioniere das gut, das hängt von der Schule ab. In Gesprächen mit Bildungs- oder Finanzministerium versucht die BSO nun, eine einheitliche Lösung zu finden, vor allem die Haftungsfrage muss geklärt werden.
2
Wien soll eine neue Sport- und Kulturmehrzweckhalle bekommen, das steht auf der Agenda Bürgermeisters Michael Ludwig. Erst jüngst hat Vizekanzler Strache seine Pläne für ein „Nationalstadion“erneuert – für eine gänzliche Erneuerung des Happel-Stadions also. Dass Bedarf an vorzeigbaren Flächen für Großevents besteht, darüber ist man sich einig: „Wir drängen auf eine Multifunktionsarena. So etwas darf nicht noch einmal, wie beim Hanappi-Station, allein für eine Sportart gebaut werden“, sagt Maurer. Es müsse auch für Kulturveranstaltungen nutzbar sein.
Die ÖVP Wien macht sich vor allem für den Breitensport stark. „Halle oder Stadion wären wieder für Großevents. Wir haben aber mehr Sportler, mehr Schwimmer, Ruderer, Leichtathleten, aber nicht mehr Sportanlagen“, sagt der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch. Er nennt als Vorzeigeprojekt den Sportpark, der jüngst in Graz eröffnet wurde, in dem Athletik- und Kraftbereich neben Turn- und Tanzsaal oder Seminarraum zur Verfügung stehen. Österreich wird sportlicher – das geht etwas aus dem Sportmonitor des Instituts für Freizeitforschung hervor. Ein Drittel betreibt demnach regelmäßig Sport, ein Viertel nie, der Rest gelegentlich. Allerdings, Sport wird individueller, in kleineren Gruppen oder allein, im Freien, und tendenziell seltener im Verein ausgeübt. Radfahren, Laufen, Fitness, Schwimmen oder Wellnesssportarten haben über die Jahre zugelegt, Turnen oder Gymnastik im Verein, Tennis- oder Fußballspielen verloren Attraktivität. Den Trend beobachte man auch im Askö, sagt Maurer. Überlebt sich der Vereins- und Mannschaftssport mit seinem Platzbedarf also, reichen in der Stadt nicht Fitnesscenter, Yogastudios und Laufstrecken im Freien? „Nein“, sagt Maurer. Zum einen beobachten die drei Sportdachverbände, Askö, Asvö und Sportunion, keine Abwanderung, sondern konstante Mitgliederzahlen. Dazu komme der soziale und integrative Faktor der Vereine, schließlich wisse man aus der Sportsoziologie, dass sozial schwächere Schichten tendenziell eher zum Team- und Vereinssport tendieren. Das sehe man auch in Wien, sagt Maurer. Und, die Vereine stellen ihr Angebot auf die neuen Bedürfnisse ein: kleinere Einheiten, Differenzierung – oder, gezielte Angebote für wachsende Zielgruppen, für Senioren etwa. Dementsprechend brauche es in Wien, sagt Maurer, nicht mehr nur „die Normturnhalle“, sondern neue Bewegungsräume.