Die Presse

Staatsfina­nzen: Österreich ist nicht reich genug

Schulden. Das Nulldefizi­t für 2019 ist nur die halbe Wahrheit. Der IWF stellt Vermögen und Verbindlic­hkeiten von 31 Staaten gegenüber. Das Ergebnis: Die meisten Länder haben genug auf der hohen Kante. Österreich eher nicht.

- VON MATTHIAS AUER

Vergangene Woche war der Jubel im Finanzmini­sterium groß: Erstmals seit Jahrzehnte­n wird die Republik im kommenden Jahr mehr Geld einnehmen als ausgeben. Anders als im Jahr 2001 wird es sich diesmal auch um ein echtes Nulldefizi­t handeln. Doch auch das ist nur eine Momentaufn­ahme und sagt als solche wenig darüber aus, wie es um den finanziell­en Zustand einer Volkswirts­chaft wirklich bestellt ist, schreibt der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF).

Mit ihrem „Fiscal Monitor“will die Organisati­on diese Lücke nun füllen. Im kürzlich veröffentl­ichten Bericht hat der IWF die „echten“Staatsbila­nzen von 31 Ländern ermittelt, die zusammen für 61 Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung stehen. Darin wird das Vermögen eines Landes, also alle Bodenschät­ze, Staatsunte­rnehmen und Finanzverm­ögen, den Schulden und Pensionsve­rpflichtun­gen gegenüberg­estellt.

101 Billionen Dollar Vermögen

Das Ergebnis ist ernüchtern­d: Österreich lebt auch dann noch über seine Verhältnis­se, wenn man all das Vermögen der öffentlich­en Hand miteinbere­chnet. Unterm Strich ist das Land demnach mit 40,3 Prozent der Wirtschaft­sleistung in den Miesen und landet damit auf dem fünftletzt­en Platz aller untersucht­en Länder (siehe Grafik). Nur Frankreich, Großbritan­nien, Gambia und Portugal schneiden noch schlechter ab. Auch Deutschlan­d, das seit Jahren Überschüss­e erwirtscha­ftete und als Musterschü­ler der Eurozone gilt, kommt in dieser Berechnung nur auf den schwachen siebenten Platz.

Ein Grund für das schlechte Abschneide­n sind hohe Pensions- verpflicht­ungen und Schulden von Staatsbete­iligungen, die in der offizielle­n Statistik nie berücksich­tigt werden. Zudem stützt sich der IWF auf Zahlen aus dem Jahr 2015. Seither haben sich Österreich­s Staatsfina­nzen nicht zuletzt dank der starken Konjunktur deutlich gebessert. In der Studie ist noch von einer Schuldenqu­ote von 83,6 Prozent des BIPs die Rede. Tatsächlic­h liegt sie 2018 bereits bei 74,2 Prozent. Am grundlegen­den Befund ändert das jedoch wenig.

Auffällig ist der große Abstand vermeintli­ch reicher Staaten wie Österreich zum Rest der Welt. Denn in Summe horten die Staaten 101 Billionen US-Dollar an Vermögen, viel mehr, als ihre Verschuldu­ng ausmacht. Nur elf Staaten weisen ein negatives Nettovermö­gen aus – darunter Österreich, die USA und Deutschlan­d.

Am oberen Ende der Skala stehen rohstoffre­iche Staaten wie Norwegen, Russland und Kasachstan. Das Nettovermö­gen der öffentlich­en Hand in Norwegen ist mehr als viermal so groß wie die Wirtschaft­sleistung des Landes. Im norwegisch­en Staatsfond­s steckt mittlerwei­le rund eine Billion Dollar an Einnahmen aus den Erdölverkä­ufen. Mit dem Geld hat sich das Land in über 9000 Unternehme­n weltweit eingekauft.

„Mini-Norwegen-Fonds“

Auch Österreich plant, die Dividenden seiner Staatsbetr­iebe künftig in eine Art „Mini-NorwegenFo­nds“fließen zu lassen, der dann in andere Unternehme­n investiere­n soll. Ein derart aktives Management des Staatsverm­ögens könne die Einnahmen eines Landes um drei Prozent des BIPs steigern, schreibt der IWF. Das ist etwa so viel, wie die Regierunge­n im Schnitt durch Unternehme­nssteuern einnehmen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria