Das geheime Sexleben der Frauen
Kino. „Das kleine Vergnügen“von Julia Frick ist ein charmanter, einfühlsamer und lustiger Film über die wichtigste Sache der Welt. Fulminant: Petra Kleinert als pfiffige Ausreißerin.
Ich will meinen Orgasmus“, sagt die Frau. Im schwarzen Mieder thront sie im Ehebett. Der Mann kehrt ihr den Rücken zu und spricht: „Wir sollten uns trennen.“Am nächsten Tag zerschneidet sie seine Hemden. Hausfrau Emma tut in „Das kleine Vergnügen“von Julia Frick aber noch mehr, nachdem Gatte Klaus, Anwalt mit politischen Ambitionen, sich eine Jüngere angelacht hat. Sie eröffnet einen Sexshop für Frauen. Ganz neu ist die Idee nicht: 2006 war die verstorbene Burgtheater-Doyenne Annemarie Düringer, die aus der Schweiz stammt, mit anderen rüstigen Seniorinnen in Bettina Oberlis Film „Die Herbstzeitlosen“zu sehen. Im stockkonservativen Em- mental eröffnet eine 80-jährige Witwe mit tatkräftiger Hilfe ihrer Freundinnen eine Dessousboutique, ein Stein des Anstoßes.
Frick fächert das Thema etwas breiter auf: „Das kleine Vergnügen“zeigt das Befremden über das schlüpfrige Geschäft, das bald in Begeisterung umschlägt, aber auch grausliche Mechanismen der Pornoindustrie, das Kippen der ganzen Familie, nachdem die Mama eigene Wege gegangen ist, und wie sich alle daran gewöhnen – nach einiger Zeit. Der Film hat etwas von Fernsehästhetik, er experimentiert nicht mit ungewöhnlichen Bildern, vielleicht wird er gerade deshalb ein Überraschungserfolg.
„Das kleine Vergnügen“hat bereits bei Festivals in aller Welt Preise gewonnen, was zeigt, dass das Thema allgemeingültig und attraktiv wie die herrliche Komödie „Bei den Sch’tis“von Dany Boon ist, die es bereits auf zwei Teile gebracht hat, allein der erste Teil lockte 20 Millionen Franzosen: Es geht um einen Postfilialleiter, der von Marseille an die belgische Grenze versetzt wird und sich in die tiefste Provinz verbannt fühlt.
Verwandt mit „Das kleine Vergnügen“wirkt auch die schlichte, mit Italianita` erfreuende deutsche Komödie „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“, auch hier gibt’s schon eine Fortsetzung. Die Impulse, die diese Filme für eine europäische Identität, etwas ab- gerückt von Amerika und Hollywood geben könnten, sind durchaus nicht zu unterschätzen, gerade weil man so leichten Herzens und ohne sich wegen mangelnden Niveaus groß zu genieren lachen kann.
„Das kleine Vergnügen“ist trotz seines heiklen Themas, des reißenden Absatzes, den Sexspielzeug findet, geschmackvoll gestaltet und großartig besetzt: Petra Kleinert, bekannt aus der RTL-Krimiserie „Doppelter Einsatz“, begeistert als Emma, Marcus Strahl zeichnet facettenreich den skrupellosen Biedermann Klaus. Die zauberhafte Waltraut Haas ist als entrüstete Oma eine Idealbesetzung, Barbara Karlich spielt eine TV-Journalistin, also sich selbst, der Kabarettist Reinhard Nowak ist auch als Schauspieler durchaus verführerisch. Und Ramesh Nair als fescher Putzmann würde vermutlich besser zu Emma passen als der attraktive Charlie (Ben Ruedinger), der Inhaber des Pornoladens, der die erfolgreiche Eheflüchterin vielleicht nur küsst, weil die Gefahr besteht, dass sie ihm auf die Schliche gekommen ist – mit seinen üblen Geschäften . . .
„Das kleine Vergnügen“ist liebevoll und milieusicher gemacht, gedreht wurde in Eisenstadt und Wien. Der Zeitgeist (Esoterik und Sexualität) ist nicht penetrant hineingerührt, sondern ergibt sich von selbst – und auch Männer könnten sich von diesem nicht unbedingt originellen, aber klug beobachteten Frauenfantasienfilm inspirieren lassen.