Hubble und Gran Sasso in Not!
Physik/Pannen. Das Raumteleskop verliert zeitweise die Orientierung, die Neutrinolabors verlieren vielleicht gar ihre Betriebserlaubnis.
„Es ist wahr. Sehr stressiges Wochenende. Derzeit ist Hubble im Sicherheitsmodus, während wir herausfinden, was zu tun ist. Ein weiteres Gyro hat versagt.“Das twitterte Rachel Osten, stellvertretende Chefin der Operationen des Raumteleskops am Wochenende, kurz darauf versuchte der oberste Chef, Kenneth Sembach, zu beruhigen: „Keine Sorge, Hubble hat noch viele große Jahre für die Wissenschaft vor sich.“
Hubble, das seit 1990 im All ist und nach Anlaufschwierigkeiten das Bild des Universums geprägt hat wie kein anderes Teleskop, ist in die Jahre gekommen. Vor allem seine Gyroskope sind es, das sind Kreisel, mit derer Hilfe Hubble ausgerichtet wird. Sie machten von Anfang an Probleme, deshalb wurden 2009 alle sechs Gyroskope ausgetauscht, durch je drei verschiedener Bauart. Möglich wurde das mit einem Spaceshuttle, aber deren Nutzung hat die Nasa 2011 eingestellt.
Deshalb kann nicht wieder ausgetauscht werden: Ein Gyroskop ist am Wochenende ausgefallen, drei andere haben es früher schon getan, zwei funktionieren noch. Optimal wären drei, aber mit einem geht es zur Not auch; das will die Nasa versuchen, um das zweite zu schonen und die Lebensdauer von Hubble zu verlängern – der Nachfolger James Webb verzögert und verzögert sich, er geht frühestens 2021 an den Start.
Ob es dann ein ganz anderes Großprojekt der Physik noch gibt, weiß niemand: In Italien hat die Staatsanwaltschaft Leiter von Labors im Gran Sasso angeklagt: In diesem Berg in den Abruzzen stehen Neutrinodetektoren, die Anlage ist die größte unterirdische der Erde, um die tausend Physiker arbeiten dort. Sie brauchen auch Chemikalien, und 2002 gerieten aus dem Detektor Borexino 50 Liter Pseudocumol – ein giftiges Lösemittel – in die Umwelt, in einen Fluss.
Ein Richter in der nahen Stadt Teramo ließ die Halle versiegeln, Borexino war drei Jahre außer Betrieb, ein weiteres Experiment musste abgebrochen werden. 2016 setzten Physiker – im Experiment Cupid – wieder ein giftiges Lösemittel frei, Dichlormethan, damit hatten sie den Detektor gereinigt, es gelangte ins Trinkwasser von Teramo.
Als das verzögert ans Licht kam, erstattete Augusto de Sanctis, Chef einer Naturschutz-NGO, Anzeige, er wies auch darauf hin, dass es seit 2006 in Italien ein Gesetz gibt, das für Gefahrstoffe einen Mindestabstand von 200 Metern zu Trinkwasserquellen vorschreibt, den die Labors nicht einhalten. Die Staatsanwaltschaft folgte der Argumentation, Gran Sasso bzw. sein Betreiber, das Italienische Nationalinstitut für Kernphysik, sieht sich gegenüber Science (10. 10.) in einer „delikaten Situation“.