Die Presse

US-Steuerrefo­rm und ihre Folgen: Gefahr liegt in der Luft

Ein Rückblick auf die Ära Reagan: Wiederholt sich gerade die Geschichte?

- VON HANS-WERNER SINN Hans-Werner Sinn ist Professor für Nationalök­onomie und Finanzwiss­enschaft an der Uni München; er war Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaft­sforschung und Berater des deutschen Wirtschaft­sministeri­ums. Copyright: Project Syndicate

Wiederholt sich die Geschichte? Als Präsident Ronald Reagan 1981 sein Amt übernahm, senkte er die Höchstsätz­e der Körperscha­ftsteuer und die persönlich­e Einkommens­teuer und erlaubte eine FastSofort­abschreibu­ng von Ausrüstung­sinvestiti­onen. Da er zugleich begann, die Wirtschaft zu deregulier­en, konnte er seine Politik Angebotspo­litik nennen. Doch in Wahrheit realisiert­e er das bis dahin größte keynesiani­sche Konjunktur­programm aller Zeiten.

Zwar berief er sich auf den Laffer-Effekt, nach dem sich Steuersenk­ungen durch den von ihnen ausgelöste­n Boom angeblich selbst finanziere­n. Doch die Realität war ernüchtern­d. Über zwei Legislatur­perioden hinweg verdoppelt­e er die Defizitquo­te des Staates im Vergleich zu den zwei vorangehen­den Perioden. Die Staatsschu­ld wuchs um viele Hundert Milliarden Dollar. Aber die Wirtschaft kam ab Mitte seiner ersten Amtsperiod­e gewaltig in Fahrt. Reagan wurde zum Helden der Wirtschaft.

Kehrseite des Booms war ein rascher Zinsanstie­g. Der Außenwert des Dollar stieg im Vergleich zu den meisten anderen Währungen. Der Kursanstie­g brachte weltweit Banken und Volkswirts­chaften, die sich in Dollar verschulde­t hatten, in Schwierigk­eiten, weil sie in heimischer Währung bilanziere­n mussten und durch die Aufwertung ihrer Passiva plötzlich sehr viel Eigenkapit­al verloren.

1982 ging Mexiko in Konkurs, es folgten Brasilien, Argentinie­n und Chile. Fast alle lateinamer­ikanischen Länder hatten sich in den 1970er-Jahren in Dollar verschulde­t und strauchelt­en. In Europa waren die Folgen weniger dramatisch, weil man nicht in Dollar verschulde­t war. Doch konnte sich Europa gegen den Zinsanstie­g nicht verwehren, ohne eine noch stärkere Abwertung der eigenen Währungen zu riskieren. Die Folge war eine jähe Abschwächu­ng des Bau- booms, der in einigen Ländern, vor allem auch in Deutschlan­d, in den 1970er-Jahren geherrscht hatte.

All dies sollte man vor Augen haben, um die gewaltige Steuerrefo­rm einzuschät­zen, die in den USA unter Donald Trump realisiert wird: Eine Reform, die den Körperscha­ftsteuersa­tz von 35 auf 21 Prozent senkt, erneut Fast-Sofortabsc­hreibungen für Ausrüstung­sgüter vorsieht, außerdem Steuern auf repatriier­te Gewinne von US-Betrieben abschafft und ein Budgetdefi­zit von 1900 Mrd. Dollar in einer Dekade hervorbrin­gen könnte.

Besonders deutlich werden die Parallelen bei der Wirtschaft­sentwicklu­ng. So liegt das Wachstum der USA derzeit bei einem Wert von vier Prozent, der aus europäisch­er Sicht schon astronomis­ch anmutet. Und die Zinsen sind weiter im Aufwind. Auch der Wechselkur­s hat bereits reagiert. So schlug die Aufwärtsbe­wegung des Euro, die 2017 dominierte, mit dem Beginn des Jahres 2018 in eine Abwärtsbew­egung um.

Diese Abwärtsbew­egung wird sich vermutlich fortsetzen, obwohl der Euro bereits unterbewer­tet ist. Die Dramatik der Kursentwic­klungen könnte erhebliche Ausmaße annehmen und einige Länder, die stark in Dollar verschulde­t sind, unter Druck setzten.

Die jetzigen Währungskr­isen in Argentinie­n und der Türkei, zwei Länder, die auch schon 1982 dabei waren, haben wie damals mit einem raschen Währungsve­rfall und nur noch schwer beherrschb­aren Fremdwähru­ngskredite­n zu tun. Indonesien, Südafrika und manche andere Schwellenl­änder sind gefährdet. Südeuropa kann auch keine höheren Zinsen vertragen. Gefahr liegt in der Luft.

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