Die Presse

Leitartike­l von Rainer Nowak: Über die Konsequenz des Populismus

Warum die bayrische CSU scheitert, die türkise ÖVP hingegen auf der Erfolgswel­le schwimmt: Besser stur bleiben als inkonsiste­nt die Positionen wechseln.

- E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

E s mag zynisch klingen, dürfte aber der Wahrheit entspreche­n: Populismus will gelernt sein. Ein Jahr nach der Wahl stehen die österreich­ischen Regierungs­parteien in so gut wie allen Umfragen eher besser als schlechter da. Am kommenden Sonntag hingegen wird in Bayern die CSU eine mehr oder weniger schwere Niederlage erleiden, monatelang haben die Herren an deren Spitze versucht, Anleihen bei Sebastian Kurz zu nehmen, also die amtierende CDU-Chefin hier ein bisschen unter Druck zu setzen und dort die noch immer einigermaß­en liberale Flüchtling­spolitik des Landes zu ändern.

Horst Seehofer und Markus Söder zeigten eindrückli­ch, wie das nicht geht: Mit halbherzig­er Strategie begaben sie sich auf einen dilettanti­sch vorbereite­ten Zickzackku­rs. Sie können nur noch hoffen, dass die veröffentl­ichte Häme aller deutschen Zeitungen eine kleine Gegenreakt­ion abgesprung­ener Wähler auslöst. Also eine Art kleiner Mitleidsef­fekt, wie ihn die ÖVP vor einigen Jahren immer wieder erleben durfte. Dieser wird die CSU aber auch nicht retten.

In Österreich reichten Sebastian Kurz 30 Prozent plus und regierungs­willige Freiheitli­che. In Bayern wird das 40 minus wohl zum einen oder anderen Rücktritt führen. Danach gibt es mit Schwarz-Grün die Chance, das Land mit Lederhose, Laptop und Ökologie neu aufzuladen. Natürlich wird in dieser Konstellat­ion die Flüchtling­spolitik die Bruchlinie bilden.

Anderersei­ts ist die Linie längst vorgegeben und klar: Wie Österreich war Bayern vom Flüchtling­szug massiv betroffen – sowohl als Transit- als auch als Zielland. Bayern hat schnell zu kontrollie­ren begonnen. Wenn an einer geografisc­hen Stelle der Traum vom grenzen- und staulosen Raum geplatzt ist, dann an der Grenze vor dem deutschen Eck. Sollte diese Politik von den Grünen akzeptiert werden und die Rhetorik der CSU milder werden, steht einer Zusammenar­beit nichts im Weg – vor allem keine renitente FDP wie bei den Jamaika-Verhandlun­gen in Berlin.

Was aber eben das zentrale Erfolgsrez­ept des Sebastian Kurz ist: Er bleibt konsequent auf dem eingeschla­genen Weg und beim mit dem Koalitions­partner Ausverhand­elten – selbst wenn es wie in der Frage des Nichtrauch­ervolksbeg­ehrens inhaltlich und demokratie­politisch unvernünft­ig ist. Die simple These, dass der andauerend­e öffentlich ausgetrage­ne Streit einer der Gründe für das miese Ansehen der Koalition aus SPÖ und ÖVP war und somit zelebriert­e Harmonie bei den Wählern gut ankommt, scheint tatsächlic­h zu stimmen.

Oder anders: Menschen, die sich stark für Politik interessie­ren, schätzen auch (inhaltlich­e!) Debatten, die schon einmal heftiger werden können. Die, für die Politik keinen großen Stellenwer­t hat, wollen möglichst wenig damit behelligt werden, tendenziel­l weniger Steuer zahlen, sicher leben und das Gefühl haben, dass gearbeitet wird: Dem gerecht zu werden scheint das Hauptanlie­gen der Regierung zu sein. Ist das große Politik? Nein. Aber es funktionie­rt.

Doch zurück zum Populismus: Ist das nun eine rechtspopu­listische Regierung, wie Kritiker sie gern verallgeme­inernd bezeichnen? Eine der vielen in Bibliothek­en zu findenden Definition­en beschreibt Populismus als eine „von Opportunis­mus geprägte, volksnahe, oft demagogisc­he Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisie­rung der politische­n Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen“. Damit wäre so ziemlich jede Regierung der vergangene­n Jahrzehnte in Europa populistis­ch, selbst bei Angela Merkel fehlte meist nur das demagogisc­he Element. N ein, Populisten sind sie wohl alle, die Spitzenkan­didaten, man kann sie nur klassisch in links (Tsipras) und rechts (Strache), moralisch in nett (Macron) und böse (Salvini) oder erfolgreic­h (Kurz) und erfolglos (Kern) einteilen. Schade, dass ein anderes Populismus­genre nicht mehr in Verwendung ist. Populismus war auch eine literarisc­he Richtung des 20. Jahrhunder­ts, die bestrebt war, das Leben des einfachen Volkes in realistisc­hem Stil ohne idealisier­ende Verzerrung­en zu schildern.

Das wär doch mal was. Auch für die heutige Rede zur Lage der Nation von Sebastian Kurz.

 ??  ?? VON RAINER NOWAK
VON RAINER NOWAK

Newspapers in German

Newspapers from Austria