Die Presse

Die verloren gegangene Opposition

SPÖ/Neos/Liste Pilz/Grüne. Wer vor einem Jahr noch Parteichef und/oder Spitzenkan­didat war, ist es heute nicht mehr. Die schwache Konkurrenz stärkt die Regierung.

- VON JULIA NEUHAUSER

Das schwierige innenpolit­ische „Klein-Klein“

Die SPÖ muss sich, hieß es nach der verlorenen Nationalra­tswahl, erst wieder an die Opposition­sarbeit gewöhnen. Ihr bisheriger Chef, Christian Kern, hat nach 338 Tagen aufgegeben. Mit den Worten, „das ist nicht mein Stil, mit dem Bihänder auf Leute einzudresc­hen“, hat er das innenpolit­ische „KleinKlein“anderen überlassen.

Erst zweieinhal­b Wochen später wusste man auch: Kern wird nicht für die SPÖ in die „Schlacht der Schlachten“, in die EU-Wahl 2019, ziehen. Die SPÖ hat das Kapitel Kern geschlosse­n. Er ist als kürzestdie­nender Kanzler und kürzestdie­nender SPÖ-Chef in die Geschichte der Zweiten Republik eingegange­n. Mit Pamela-Rendi Wagner hat nun erstmals eine Frau das rote Ruder übernommen. Beim Parteitag am 24. November wird sie offiziell gewählt werden.

In den vergangene­n Wochen kümmerte sie sich vor allem um Personalie­n (Bundesgesc­häftsführe­r, EU-Spitzenkan­didat, Klubobmann) und innerparte­iliche Strukturen (Statutenän­derung). Nun soll sie Opposition­sführerin sein. Warum sollte ihr das gelingen? Weil sie nicht Christian Kern ist, um es mit ihren Worten zu sagen.

Der Abgang des heimlichen Opposition­schefs

Nicht selten wurde Matthias Strolz als heimlicher Opposition­sführer bezeichnet. Im Gegensatz zur SPÖ, der Liste Pilz und den Grünen schaffte er es, die türkis-blaue Regierung öffentlich­keitswirks­am zu kritisiere­n und kontrollie­ren. Doch dann hat die „Stimme seines Herzens“, wie Strolz sagte, gerufen: Es sei der richtige Zeitpunkt, die Führungsve­rantwortun­g zu übergeben.

Nur acht Monate nach der Nationalra­tswahl hat Strolz die Parteiführ­ung offiziell an Beate MeinlReisi­nger übergeben. Damit haben die Pinken ihre Galions- und Integratio­nsfigur verloren. Meinl-Reisinger mussten die Neos zuerst einmal auf Vorstellun­gstour durch Österreich schicken.

Nur wenige Tage nach dem (ersten Teil des) Rückzugs von SPÖ-Chef Christian Kern ließ auch Meinl-Reisinger mit einer persönlich­en Erklärung aufhorchen. Sie ist schwanger und wird im April ihr drittes Kind zur Welt bringen. „Es ist nicht der ideale Zeitpunkt. Aber es ist, wie es ist“, sagte sie selbst. Einen Monat wird sie Auszeit nehmen. Die opposition­elle Arbeit, versprach sie, werde darunter nicht leiden. „Aber ich kann halt nichts dafür, wie die SPÖ beinander ist.“

Der Rückzug und die Rückkehr des Peter Pilz

Für keine andere Partei war das vergangene Jahr so turbulent wie für die Liste Pilz. Die Freude über den Einzug ins Parlament nach der Nationalra­tswahl 2017 währte nur kurz. Denn schon bald kamen die ersten Belästigun­gsvorwurfe gegen Listengrün­der Peter Pilz auf. Aus der selbst ernannten Kontrollwu­rde eine Krisenpart­ei.

Peter Pilz zog gar nicht in den Nationalra­t ein. Er blieb allerdings Parteichef. In den Griff haben die Truppe weder er noch die wechselnde­n Klubobmänn­er bekommen. „Unsere Kandidaten sind unser Programm“, warb die Liste Pilz im Wahlkampf. Die vielen Einzelkämp­fer trugen ihre Meinungsve­rschiedenh­eiten aber gern auf offener Bühne aus. Den Höhepunkt hat das Schauspiel bei Pilz’ Rückkehrve­rsuch (nach Einstellun­g der Ermittlung­en) erreicht. Die für ihn eingesprun­gene Martha Bißmann wollte nicht weichen.

Mittlerwei­le ist sie wilde Abgeordnet­e. Pilz hat es dank des Rücktritts von Peter Kolba und des Mandatverz­ichts von Maria Stern in das Hohe Haus geschafft. Stern hat sich so den Parteichef­sessel gesichert. Für Opposition­sarbeit ist in dem Chaos kaum Zeit geblieben.

Der grüne Kampf, wahrgenomm­en zu werden

„Ja, uns gibt’s, wir leben“, beruhigte Grünen-Chef Werner Kogler in einem Interview zuletzt. Er musste das extra betonen. Sonst wäre es wohl niemandem aufgefalle­n. Denn die (Bundes-)Grünen sind nach der Nationalra­tswahl im Vorjahr nicht nur aus dem Parlament, sondern auch aus der Öffentlich­keit verschwund­en.

Bereits zwei Tage nach der Nationalra­tswahl haben sich sowohl Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek als auch Kurzzeit-Bundesspre­cherin Ingrid Felipe zurückgezo­gen und Werner Kogler die Aufgabe des Masseverwa­lters überlassen. Er soll die schon davor durch Streiterei, Rücktritt und Abspaltung straucheln­de Partei neu aufbauen.

Dabei können die Landesorga­nisationen nur bedingt helfen. Die Wiener sind nach dem angekündig­ten Rückzug Maria Vassilakou­s mit sich selbst beschäftig­t. In Kärnten fielen die Grünen heuer aus dem Landtag. In Tirol und Salzburg konnten sie sich in der Landesregi­erung halten, in Innsbruck sogar den Bürgermeis­tersessel sichern. Doch für große Schlagzeil­en haben die Grünen im vergangene­n Jahr nur einmal gesorgt: beim Wechsel Eva Glawischni­gs zu Novomatic.

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