Die Presse

„Es war wie in ,Pulp Fiction‘“

USA/Saudiarabi­en. Der Fall Khashoggi hat die Beziehunge­n der Trump-Regierung zu Riad schwer getrübt. Sanktionen stehen im Raum, die Indizien für einen Mord sind erdrückend.

- VON THOMAS VIEREGGE

„Es war wie in ,Pulp Fiction‘.“Unter Hinweis auf den Kultfilm Quentin Tarantinos, in dem ein „Cleaner“am Tatort eines Blutbads aufräumt, schilderte ein Geheimdien­stmann gegenüber der „New York Times“die Ermordung des saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi am Dienstag, 2. Oktober, im saudischen Konsulat in Istanbul. Unter Berufung auf die Geheimdien­ste der Türkei und der USA hat die „Washington Post“, für die Khashoggi eine Kolumne verfasst hat, auch Details parat: „Man kann sei- ne Stimme hören und Stimmen von Männern, die Arabisch reden. Man kann hören, wie er verhört, gefoltert und ermordet wird.“

Die türkischen Behörden haben offenbar genaue Kenntnis über den Ablauf des Tathergang­s, wie Berichte in der regierungs­nahen Zeitung „Sabah“suggeriere­n – diese publiziert­e Steckbrief­e von 15 Saudis, die in Privatjets nach Istanbul eingefloge­n waren, um die Leiche fachgerech­t zu zerstückel­n und in Koffern abzutransp­ortieren. Sie sind in Besitz von Audio- und Videoaufna­hmen, was den Schluss nahelegt, dass sie alle ausländisc­hen Vertretung­en überwachen.

Auch der US-Geheimdien­st hat laut „Washington Post“Gespräche saudischer Kollegen abgehört, die Khashoggi ursprüngli­ch von seinem Wohnort im US-Bundesstaa­t Virginia nach Riad locken wollten. Khashoggi, der heute 60 Jahre alt geworden wäre und mehrere Interviews mit Osama bin Laden geführt hatte, war ein Cousin des Waffenhänd­lers Adnan Khashoggi und ehemaliger Berater des einflussre­ichen Prinzen Faisal al-Turki. Im Vorjahr ging er ins US-Exil.

Die Affäre Khashoggi hat die in der Ära Trump so exzellente­n Beziehunge­n zwischen Washington und Riad schwer getrübt. Selbst der Präsident fordert inzwischen eine völlige Aufklärung des Falls. Das US-Außenminis­terium beschied dem saudischen Botschafte­r in Washington, der sich derzeit in der Heimat aufhält, bei seiner Rückkehr neue Informatio­nen vorzulegen. Auch Großbritan­nien und Frankreich verstärken den Druck auf Saudiarabi­en.

Dabei hatte alles so glänzend begonnen zwischen Donald Trump und den Saudis. Im Mai 2017 führte ihn der erste Auslandsbe­such als Präsident an den Königshof in Riad, samt Schwerttan­z und einem Waffendeal für die USA im Umfang von 110 Milliarden Dollar. Eingefädel­t hatte den Besuch Jared Kushner, der Berater und Schwiegers­ohn Trumps, der sich auf Anhieb mit dem saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman, kurz MbS, verstand. Der 33-jährige starke Mann des Regimes galt als Schlüsself­igur der US-Nahost-Strategie: ein vehementer Gegner des gemeinsame­n Erzfeinds Iran und ein Gewährsman­n für einen NahostFrie­densplan, gegen den König Salman mittlerwei­le sein Veto eingelegt hat.

Kushner, Außenminis­ter Pompeo und Sicherheit­sberater Bolton suchten telefonisc­h Kontakt zu MbS, der im Frühjahr drei Wochen lang durch die USA getourt war, hofiert von Wall-Street-Bankern, Hollywood-Bossen und Silicon-Valley-Chefs. Manche von ihnen überlegen nun, wie mehrere prominente Medien, einen Investoren­kongress übernächst­e Woche im „Davos in der Wüste“, im Ritz-Carlton-Hotel in Riad, zu boykottier­en – dort, wo der Kronprinz im Vorjahr Hunderte Scheichs in Arrest genommen hat.

Selbst aus den Reihen der Republikan­er im Senat kommt massiver Druck. Sie drohen mit Sanktionen, einer Blockade der Waffenlief­erungen und der Militärhil­fe sowie einem Einreiseve­rbot für die Verantwort­lichen des mutmaßlich­en Komplotts. Führende konservati­ve Senatoren waren zuvor schon verärgert über die saudische Bombardier­ung eines Schulbusse­s im Jemen-Krieg.

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