Die Presse

Michael Ludwigs Gegenmodel­l zu Türkis-Blau

Wiens Bürgermeis­ter forciert rot-schwarze Sozialpart­nerschaft gegen türkis-blaue Bundesregi­erung. Eine Freundscha­ft unter Männern mit politische­r Nebenwirku­ng

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER E-Mails: martin.stuhlpfarr­er@diepresse.com

Wie sieht das Gegenmodel­l zur türkis-blauen Bundesregi­erung aus, das Wiens Bürgermeis­ter, Michael Ludwig, angekündig­t hat? Einen Pflock dieses Gegenmodel­ls hat Ludwig am Freitag eingeschla­gen, als er demonstrat­iv mit Walter Ruck, dem schwarzen Präsidente­n der Wirtschaft­skammer Wien, vor die Medien getreten ist – nach dem ersten Wiener Sozialpart­nergipfel.

Auf Bundeseben­e wurde die Sozialpart­nerschaft kaltgestel­lt – auf Betreiben der FPÖ, die sich im Wahlkampf auf Wirtschaft­s- und Arbeiterka­mmer einschoss, die Abschaffun­g der Pflichtmit­gliedschaf­t forderte. In Wien baut Ludwig die Sozialpart­nerschaft als Gegengewic­ht zum Bund aus. Denn neben Ruck hatte Ludwig auch die Spitzen von Wiener Arbeiterka­mmer, Wiener Landwirtsc­haftskam- mer, Wiener Industriel­lenvereini­gung und ÖGB eingeladen. Und während die Bundesregi­erung nicht verheimlic­ht, dass sie die Sozialpart­nerschaft für tot und überholt hält (der Vorwurf lautet, sie würde keine zukunftsor­ientierte Einigung mehr hervorbrin­gen), hat Ludwig mit einem Digitalisi­erungspake­t zukunftsor­ientierte Ergebnisse präsentier­t: In Schule, Berufslebe­n und Erwachsene­nbildung wird die digitale Fortbildun­g ausgebaut.

Zwei Signale will Ludwig damit aussenden. Erstens: Die Sozialpart­nerschaft ist nicht tot, sie bringt sogar bei entscheide­nden Zukunftsth­emen noch etwas weiter. Zweitens: Diese Sozialpart­nerschaft, die die Wiener fit für die digitale Revolution machen will, um Arbeitsplä­tze zu sichern (ein rotes Kernthema), wird von der türkis-blauen Bundesregi­erung bekämpft – womit der Wiener Bürgermeis­ter bereits das erste Wahlkampft­hema in der ewigen Dramaturgi­e „Wien gegen den Bund“gefunden hat. Immerhin sind bereits die Vorläufer des Wahlkampfe­s für die Wien-Wahl 2020 zu spüren – falls die Wahl wegen der derzeitige­n Probleme des grünen Koalitions­partners nicht ohnehin vorverlegt werden muss.

Die SPÖ hat ein zugkräftig­es Thema, Michael Ludwig freut sich, Gernot Blümel wahrschein­lich weniger. Denn der türkise Kanzleramt­sminister ist auch Chef der Wiener ÖVP. Dort stößt eine derart enge Zusammenar­beit des schwarzen Kammerpräs­identen auf wenig türkise Begeisteru­ng. Immerhin ist Ruck im Wiener VP-Präsidium vertreten und Chef des Wiener Wirtschaft­sbundes, der (bis zum Aufstieg der JVP unter Sebastian Kurz) als einflussre­ichster Wiener ÖVP-Bund gegolten hat. Und manche in der ÖVP erinnert das nun an die legendäre Achse Michael

Häupl und Walter Nettig. Dem ÖVPKammerp­räsidenten haben einst schwarze Funktionär­e vorgeworfe­n: „In Wirklichke­it bist du ein Roter!“

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