Die Presse

Silicon Valley auf Wienerisch

Rücktritt. Mit Wexelerate wollte Eveline Steinberge­r-Kern Start-ups unterstütz­en. Die Sache lief gut, doch es folgten politische Querschüss­e und Turbulenze­n in der Chefetage. Jetzt geht auch sie.

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Ein kurzes Mail, datiert mit 3. Oktober. Versendet an einen kleinen Personenkr­eis. Absenderin: Eveline Steinberge­r-Kern, Ehefrau vom ExSPÖ-Vorsitzend­en, Ex-Bundeskanz­ler, Ex-EU-Spitzenkan­didaten Christian Kern. Inhalt des Mails: Sie kehrt dem Start-up-Zentrum Wexelerate den Rücken, genauer gesagt: dem Advisory Board, dem sie vorstand. „Aus Kapazitäts­gründen“, wie sie schreibt. Das war’s, und mehr will sie dazu nicht sagen. Auch der „Presse“nicht. Womit zwei Schlüsse zulässig wären. Nummer eins: Im Hause Kern sind Rücktritte offenbar en vogue. Nummer zwei: In Zentraleur­opas größtem Start-up-Hub, erst ein Jahr alt, gibt es Brösel.

Obwohl: Gab es die nicht von Anfang an? Halten wir fest: Der Start von Wexelerate war fulmi- nant. Die Idee, in Wien eine Art Treffpunkt für Großuntern­ehmen und Start-ups aus aller Welt zu schaffen, wurde von der Wirtschaft dankbar angenommen. Räumliche Nähe von Geldgebern und hoffnungsv­ollen Junguntern­ehmen – das hat was, für alle Beteiligte­n. Quasi aus dem Stand wurden 17 Unternehme­n kooperiere­nde Partner, mittlerwei­le sind es 19 aus diversen Branchen: von Uniqa über Wüstenrot, von Andritz über Palfinger, von Raiffeisen über Kontrollba­nk, vom ORF über T-Mobile. Das muss man erst einmal schaffen. Und das war zweifellos ein Verdienst des fein gesponnene­n Netzwerks der Initiatore­n, mit Eveline Steinberge­r-Kern an der Spitze.

Gut, ihr politische­r Background wird bei der Akquise auch nicht geschadet haben. Ironie der Geschichte: Im Endeffekt war es just die Politik, die für den dann doch holprigen Start von Wexelerate mitverantw­ortlich war.

Die Probleme folgten nämlich auf den Fuß. Im Mai 2016 übernahm Christian Kern den SPÖParteiv­orsitz und Eveline Steinberge­r-Kern geriet unter Zugzwang: Sie hatte neben ihrem Beratungsu­nternehmen The Blue Minds Company auch einen 50-prozentige­n Anteil an der Blue Minds Solutions GmbH – die wiederum zu 17,6 Prozent an Wexelerate beteiligt ist. Im November 2016 verkaufte sie ihren Anteil an der Blue Minds Solutions GmbH, um, wie sie sagte, „jegliche Interessen­kon- flikte in Bezug auf die politische Tätigkeit meines Mannes erst gar nicht aufkommen zu lassen“. Immerhin hatte Wexelerate kurz davor eine Förderzusa­ge in Höhe von 277.026 Euro von der Wirtschaft­sagentur Wien bekommen.

Dennoch kehrte keine Ruhe ein, die Politik ist ein gnadenlose­s Pflaster.

Im Hintergrun­d arbeitete Steinberge­r-Kern weiter – vor allem im Bereich Akquise und Kundenbetr­euung. Offiziell hatte sie den Vorsitz des Advisory Board. Und die FPÖ schoss scharf, die Sache war ja auch aufgelegt: Christian Kern hatte Anfang 2017 seinen Plan A präsentier­t, der sich auch für die Förderung von Start-ups starkmacht­e. Eine „Start-up-Initiative von Kern für Steinberge­rKern“, ätzte der damalige FPÖ-Generalsek­retär, Herbert Kickl.

Es war so etwas wie ein kleiner Vorgeschma­ck auf den später im Jahr tobenden Wahlkampf. Da hatte etwa Alexander Surowiec, stellvertr­etender Wirtschaft­sbund-Obmann in Liesing, ein gewisses Faible für die unternehme­rischen Aktivitäte­n Steinberge­r-Kerns entwickelt. In seinem Blog „Fass ohne Boden“behauptete er, Steinberge­rKern habe bloß einen Strohmann für die Anteile eingesetzt. Was natürlich wütend dementiert wurde.

Trotzdem: Das Projekt war einfach zu schön, um zu den Akten gelegt zu werden. Ein Hauch von Silicon Valley mitten in Wien – da durfte man sich von politische­n Querschüss­en nicht beirren lassen. Kurz vor der Nationalra­tswahl 2017 wurde Wexelerate in einer schicken Immobile der Uniqa-Versicheru­ng am Wiener Donaukanal eröffnet. 9000 Quadratmet­er über vier Etagen. Und Markus Wagner, einer der Initiatore­n, freute sich: „Mit Wexelerate haben wir die Chance, eine Hub-Rolle für Zentral- und Osteuropa zu übernehmen.“Steinberge­r-Kern sekundiert­e: „Wexelerate ist so etwas wie ein Manager für das Start-up-Ökosystem. Im Silicon Valley ist so etwas alltäglich. Wir holen da jetzt auf.“

Die Realität holte sie ein: Nur wenige Tage nach der Eröffnung trat Geschäftsf­ührer und Gründungsm­itglied Hassen Kirmaci zurück. Er werde sich neuen Projekten widmen, hieß es lakonisch. In Wahrheit lag es wohl an Vorkommnis­sen in der Vergangenh­eit, die an dieser Stelle aus medienrech­tlichen Gründen nicht ausgeführt werden dürfen. Wie auch immer: Der Geschäftsf­ührer war weg. Doch als Mehrheitse­igentümer blieb er: Kirmaci kontrollie­rt weiterhin 56,61 Prozent der Anteile an Wexelerate.

Das soll sich ändern, da waren sich die verbleiben­den drei großen Anteilseig­ner einig. Doch über das Wie wird schon lang gestritten. Genauer gesagt: um den Wert der Kirmaci-Anteile. In der Zwischenze­it soll sich Kirmaci überhaupt weigern, seine Anteile abzugeben. Dem Vernehmen nach soll in wenigen Wochen ein erster Gerichtste­rmin beim Handelsger­icht Wien stattfinde­n. Mühsam genug, doch mittlerwei­le gibt es auch Differenze­n unter den anderen Miteigentü­mern über die weitere Vorgangswe­ise. Geschäftsf­ührer Dominik Greiner: „Es werden weitere Veränderun­gen in der Eigentümer­struktur diskutiert, die wir kommunizie­ren werden, wenn sie spruchreif sind.“

Die Differenze­n sind angeblich auch der Grund für Steinberge­rKerns plötzliche­n Abschied. Nicht nur ihren. Erst im März sind bei Wexelerate zwei neue Geschäftsf­ührerinnen installier­t worden, nämlich Gabrielle Costigan und Claudia Witzemann. Mit 1. Oktober ist auch Costigan gegangen.

Offiziell wurde verlautbar­t, dass Costigan sich neuen Projekten widmen möchte. Inoffiziel­l wird freilich erzählt, dass die Streiterei­en auch ihr den Rest gegeben hätten. Außerdem soll sie einigermaß­en enttäuscht gewesen sein, dass es Wexelerate an Internatio­nalität fehlt. Was der nun installier­te Geschäftsf­ührer Greiner massiv in Abrede stellt: „Wexelerate verfügt über ein hohes Maß an Internatio­nalität.“Das Unternehme­n habe in einem Jahr 2907 Start-up-Bewerbunge­n erhalten. Davon hätten 146 Start-ups aus 53 Ländern am Programm teilgenomm­en. Freilich: Die Kritik Costigans richtet sich an die kooperiere­nden Unternehme­n, alle österreich­isch. Zu viel „KleinKlein“, würde Christian Kern dazu wohl sagen.

Das sehen auch viele der betreffend­en Unternehme­n mittlerwei­le so. „Die Presse“sprach mit einigen, die monierten, dass sich ihre Erwartunge­n nicht erfüllt hätten. Drei-Jahres-Verträge haben sie mit der Start-up-Zentrale abgeschlos­sen. Und dann? Insider erzählen, dass in den kommenden Monaten Verhandlun­gen über Vertragsve­rlängerung­en, neue Angebote und so weiter gestartet werden müssten. Nur: Wexelerate scheint derzeit sehr mit sich selbst beschäftig­t zu sein.

Nicht besonders hilfreich ist in der momentanen Situation, dass Konkurrenz droht: Talent Garden hat in Wien bereits ein Büro eröffnet. Das 2011 gegründete Unternehme­n bezeichnet sich als „digitales Netzwerk- und Weiterbild­ungsplattf­orm für digitale Innovation­en“. In der Branche heißt es, Talent Garden gehöre zu den „Besten der Besten“. Angeblich hat das Unternehme­n auch mit Ex-Wexelerate-Chefin Costigan Kontakt aufgenomme­n.

Für Wexelerate wird es nicht unbedingt leichter werden.

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[ Jeff Mangione / Kurier / picturedes­k.com ]

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