Afrikas unentdecktes Potenzial
Afrika. Österreichs Exporteure schöpfen die Möglichkeiten nicht aus. Das Risiko wird überschätzt, meint Kontrollbank-Chef Bernkopf. Aber bekämpft Handel Fluchtursachen?
Wenn Europa die Migration aus Afrika eindämmen will, muss es Fluchtursachen bekämpfen – auch durch Investitionen und Handel, die vor Ort Beschäftigung und Wohlstand schaffen: Diese These darf in keinem PolitikerStatement zum Thema fehlen. Dabei ist das keineswegs ausgemacht. Denn sich nach Europa durchzuschlagen, kostet Geld. In sehr armen Ländern können sich das die wenigsten leisten. Bis zu einem Pro-Kopf-Einkommen von 7000 bis 8000 Dollar führt mehr Wohlstand zu höherem Migrationsdruck, hat der US-Ökonom Michael Clemens errechnet, erst darüber nimmt er ab. Nur 13 von 54 Staaten Afrikas liegen über dieser Schwelle, viele weit darunter. Aber Helmut Bernkopf, Ko-Chef der Österreichischen Kontrollbank (OeKB), würde es „zutiefst verurteilen“, daraus eine Politik abzuleiten: „Was wäre die Alternative, die Länder bewusst arm halten?“Also: mehr Engagement, auch weil „mehr Wohlstand die Demokratie fördert“.
Zumal es durchaus Geschäftschancen gibt. Die Kontrollbank sichert Exporte durch Garantien ab. Man kennt dort die typischen Aufträge, die heimische Firmen in Afrika an Land ziehen. Es geht um Verkehr (Schienen, Brücken), Wasseraufbereitung, Umwelttech- nik (Solar, Wind, Hydro) oder Gesundheit (Spitäler). Also meist staatlich finanzierte Infrastruktur, die eine Basis für wirtschaftliches Wachstum legen kann. Wobei Österreich viel Luft nach oben hat: Nur 1,2 Prozent der heimischen Exporte gehen nach Afrika, in etwa so viel wie nach Schweden. Das liegt weit unter den acht Prozent Anteil, den Afrika an den Ausfuhren der gesamten EU hat. Und es entspricht auch nicht dem kleinen Kuchenstück, das der schwarze Kontinent am Welt-BIP abkriegt (2,8 Prozent).
Was für Bernkopf auch mit verzerrten Risikoeinschätzungen zu tun hat: „Das rechtliche und politische Risiko ist in Osteuropa zum Teil höher.“Das zeigt sich etwa auch am Index der wirtschaftlichen Freiheit der Heritage Foundation. Bei ihm liegen hierzulande so beliebte Handelspartner wie Russland (Rang 107), aber auch Kroatien (92) oder Serbien (80) schlechter als manche afrikanische Staaten wie Südafrika, Ruanda oder Botswana. Die Kontrollbank selbst bewertet Länderrisken nach drei Gruppen; daran orientieren sich die Deckungsmöglichkeiten (siehe Grafik). Eine Milliarde Euro hat sie aktuell an Afrika-Absicherungen „im Feuer“, vor allem in Gabun, Angola, Ghana und Ägypten. Das Institut (im Besitz heimischer Banken, aber mit Mandaten der Republik) sichert nicht marktfähige Risken ab, agiert aber sonst ähnlich wie eine Versicherung: Die Haftungsentgelte sollen die Summe der Schadensfälle übersteigen.
Solche Exportfinanzierungen gibt es vielerorts. Industriestaaten unterwerfen sich dabei OECD-Standards, die für Chancengleichheit sorgen sollen. Denn wenn ein Staat sehr großzügig Risken für seine Exporteure übernimmt, gilt das als Subvention und Wettbewerbsverzerrung. Es gibt aber Schwellenländer, die sich nicht an die Regeln halten – vor allem China. Mit Gütern im Wert von 95 Mrd. Dollar exportieren die Chinesen weit mehr nach Afrika als jedes andere Land. „Sie haben ganz andere Mit- tel“, weiß Bernkopf. So sind etwa die Laufzeiten bei Finanzierungsangeboten doppelt so lang als üblich. Die Chinesen kommen auch dadurch zu mehr Aufträgen, dass sie sich Rohstoffe als Gegenleistung sichern und dann etwa „30 Jahre lang den Boden ausbeuten“. Das sei nicht unbedingt die Regel, aber „es passiert“. Auch die typische Abwicklung sei oft nicht dazu angetan, Armut zu bekämpfen – etwa „wenn sie eigene Bautrupps mitbringen“oder Einheimische nicht schulen, sodass diese die installierten „Geräte gar nicht bedienen können“. Viel besser sei es, wenn nur die Planung durch fremde Ingenieure erfolgt, die dann lokale Arbeiter einschulen und bauen lassen. „Solche nachhaltigen Investitionen können die Österreicher gut“, versichert Bernkopf. Und aus Sicht der Kontrollbank: „Das machen wir dann gern.“