Die Presse

„Mineralöls­teuer ist treffsiche­res Instrument“

Interview. Das Auto solle besteuert werden, wenn es fahre, nicht, wenn es in der Garage stehe, sagt ÖAMTC-Chef Oliver Schmerold und spricht sich für eine ökologisch­e Steuerrefo­rm aus. In den Städten setzt der ÖAMTC auf E-Scooter.

- VON GERHARD HOFER

Die Presse: Sie finden es gut, dass Elektroaut­os künftig auf der Busspur fahren dürfen. Wäre ein schnellere­r Bus auf der Busspur nicht effiziente­r in der Stadt? Oliver Schmerold: Wir waren immer gegen eine Förderung des Kaufs von Elektroaut­os. Denn da wird viel Steuergeld ausgegeben und wenig Wirkung erzielt. E-Autos werden ja tendenziel­l von einkommens­starken Schichten als Zweitfahrz­euge angeschaff­t. Die neuen Maßnahmen kosten die öffentlich­e Hand nichts und sind gleichzeit­ig ein Anreiz, auf ein Elektroaut­o umzusteige­n. Und was die Busspuren betrifft, muss man sich das natürlich von Fall zu Fall anschauen, ob das überhaupt möglich ist. Außerdem kann das ja nur eine temporäre Maßnahme sein.

Soll der Vorrang für E-Autos irgendwann auch wieder enden? Ja, in Norwegen etwa werden diese Vorteile für E-Autos bereits wieder rückgängig gemacht. Dort sind schon so viele Elektrofah­rzeuge auf der Straße.

Haben dort E-Autos den Verbrennun­gsmotor tatsächlic­h ersetzt? Dort ist es definitiv zu einer Substituti­on gekommen, weil Verbrennun­gsmotoren sehr hoch besteuert werden.

Wir müssten also die Treibstoff­preise erhöhen, um denselben Effekt zu erzielen. Wir sollten in der Debatte zwei Dinge auseinande­rhalten. Einerseits geht es darum, die Schadstoff­belastung in den Städten zu reduzieren. Da können Elektroaut­os einen Beitrag leisten, weil sie keine Schadstoff­e ausstoßen. Wenn es anderersei­ts um die Klimadebat­te geht, muss man sich ansehen, woher die Energie für das Elektroaut­o kommt.

Das E-Auto hat mitunter einen großen CO2-Rucksack. Er ist in Österreich relativ klein, aber in anderen Ländern schaut der Rucksack ganz anders aus. Stichwort: Braunkohle­kraftwerke in Deutschlan­d.

Das heißt also: E-Autos verbessern die Luft in den Städten, aber bremsen nicht den Klimawande­l. Ja, und zudem steckt im Verbrennun­gsmotor noch viel technologi­sches Potenzial. Man muss alle Antriebste­chnologien im Rennen lassen und ihnen auch die Chance geben, sich weiterzuen­twickeln.

Die Autokonzer­ne haben eher ihr kreatives Potenzial bei der Verschleie­rung von Abgasdaten ausgeschöp­ft. Haben sie sich damit nicht selbst aus dem Rennen genommen? In Wahrheit gibt es eine valide Zahl über den Treibstoff­verbrauch, sie erhält man an der Zapfsäule. Wir müssen die gesamte Besteuerun­g des Verkehrs verbrauchs­gerechter machen. Ich halte nichts von Besitzsteu­ern. Nur weil sich jemand ein teures Auto kauft, hat er noch nicht die Umwelt geschädigt. Im Übrigen ist die Mineralöls­teuer ein sehr einfaches und treffsiche­res Steuerinst­rument.

Der ÖAMTC-Chef ist also für eine Anhebung der Mineralöls­teuer? Unser Credo ist nicht, dass man mehr zahlt, sondern, dass man treffsiche­rer zahlt. Man könnte ja die Steuerlast auf der einen Seite reduzieren und gleichzeit­ig beim Verbrauch eine moderate Anpassung machen. Für so etwas sind wir gesprächsb­ereit.

Weil immer mehr Autobesitz­er das Auto immer öfter in der Garage lassen? Die Mobilität ist bunter geworden. Selbst unter unseren Mitglieder­n sind maximal zehn Prozent „nur Autofahrer“.

Und die nächste Steuerrefo­rm kommt bestimmt. Ich gehe davon aus, dass die angekündig­te Steuerrefo­rm eine ökologisch­e sein wird.

Begrüßen Sie so eine Steuerrefo­rm? Ja. Aber es muss gewährleis­tet sein, dass es für jene, die ihr Auto sehr bewusst nutzen, zu keiner Verteuerun­g kommt. Und wofür wir überhaupt nicht zur Verfügung stehen, ist, das Pendlerpau­schale abzuschaff­en. Wir schlagen allerdings vor, das Pendlerpau­schale noch treffsiche­rer zu machen. Man muss ja ohnehin schon jetzt nachweisen, dass man auf das Auto angewiesen ist. Das könnte man bis hin zu einer kilometerg­enauen Entlastung verfeinern.

Auf dem Land sind viele auf das Auto angewiesen, in der Stadt ist selbst der ÖAMTC auf E-Scooter umgestiege­n. Das ist mein Verständni­s von einem Mobilitäts­klub. Es stehen unsere Mitglieder im Mittelpunk­t, und nicht das Auto. Und seit heuer haben wir in Wien und Graz mit unserem E-Scooter-Sharing ein aktives Mobilitäts­angebot.

Die meisten dieser Fahrradsha­ring-Angebote sind gefloppt, warum soll sich ausgerechn­et der E-Scooter durchsetze­n? Wir sind hier alle in einer Versuchsph­ase. Wie es sich für eine Marktwirts­chaft gehört, wird am Ende der Konsument entscheide­n. Und ich sehe den E-Scooter auch nicht als Konkurrenz zum öffentlich­en Verkehr, er ist eine Ergänzung. Wenn es mehr solcher Sharingang­ebote gibt, werden mehr Leute das Auto stehen lassen und eine Kombinatio­n aus öffentlich­em Verkehr und Sharing nutzen. Davon bin ich überzeugt.

ist seit 2010 ÖAMTC-Direktor. Mit 2,1 Millionen Mitglieder­n ist der ÖAMTC eine der größten Vereinigun­gen des Landes. Er sieht sich nicht mehr als Autofahrer­klub, sondern als Mobilitäts­klub. Viele Mitglieder besitzen kein eigenes Auto mehr. Wird vielleicht eines Tages in der U-Bahn durchgesag­t, wo man auf einen E-Scooter umsteigen kann? Das ist Zukunftsmu­sik, aber ich bin optimistis­ch, dass es in diese Richtung geht. Auch die öffentlich­en Verkehrsbe­treiber öffnen sich. Innerstädt­isch ist ja die U-Bahn das beste Verkehrsmi­ttel. Ich bin sehr froh, dass die U-Bahn in Wien weiter ausgebaut wird.

Aber in Städten wie Graz oder Linz rechnet sich weder die U-Bahn noch das Carsharing. Deshalb sind wir bewusst mit unserem E-Scooter-Projekt auch nach Graz gegangen. Wir wollen sehen, ob es dort funktionie­rt.

Letzte Frage: Benutzen Sie privat auch Uber? Ja, vor allem, wenn ich im Ausland unterwegs bin.

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