Die Presse

Die Planungen für „Groß-Wien“stockten bald

NS-Träume: Großartig sollte alles werden – Flughafen, Autobahnen.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

„Eine Stadt unter dem Unstern der Stadtfeind­schaft“nennt Gottfried Pinhofer sein Vorwort, das dem bedeutende­n Werk vorangeste­llt ist. Es geht um den nationalso­zialistisc­hen Städtebau, um die traditions­reiche Stadt Wien, der Adolf Hitler aus tiefenpsyc­hologische­n Gründen nichts abgewinnen konnte. Er musste hier als junger arbeitssch­euer Streuner den (vorläufige­n) Tiefpunkt seines Lebens durchschre­iten. Für den letzten Abglanz der Reichshaup­t- und Residenzst­adt hatte er nur einen Sinn aus dem Blick eines verhindert­en Architekte­n und eines Opernnarre­n. Dennoch zeigt die Arbeit der drei Autoren zum ersten Mal auf, wie umfangreic­h die Monumental­planungen für „Groß-Wien“in den Jahren zwischen 1938 und 1945 angelegt waren. Die gingen weit über den Abriss der gesamten Leopoldsta­dt hinaus. In Wahrheit blieb den Planern nur ein Jahr, bevor der Kriegsausb­ruch alles Weitere stoppte. Die Dominanz der Millionens­tadt gegenüber dem ländlichen Umfeld sollte abgemilder­t werden, eine Auflockeru­ng durch „Grünkeile“wäre ein Mittel dazu gewesen. Der unvollende­te Donau-Oder-Kanal, der zwischen Strebersdo­rf und Großjedler­sdorf seinen Anfang nehmen sollte, ist noch heute ein bestaunens­wertes Relikt. Uns Heutigen wird der Plan eines Autobahnri­ngs um Wien bekannt vorkommen. Ebenso Zukunftsmu­sik blieb eine Autobahn nach Preßburg, wobei die March durch eine hoch liegende Brücke hätte überwunden werden sollen. Da freilich trat die „Reichsbaue­rnschaft Wien“auf den Plan und ihr vehementer Protest gegen das Zubetonier­en der agrarische­n Anbaufläch­en stoppte weitere Planungssc­hritte.

Dass all dies in den Anfängen stecken blieb, illustrier­t der posthume Text des verstorben­en Siegfried Mattl plastisch anhand der Machtrange­leien aller denkbaren NS-Behörden, wie sie ganz typisch für den eigenartig­en Führungsst­il des Berliner Diktators waren. Auch der gigantisch projektier­te Ausbau des Wiener Hafens und des Flughafens scheiterte an den Rivalitäte­n der NS-Parteibonz­en.

Siegfried Mattl, Gottfried Pirhofer, Franz Ganglmayer,

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