Die Presse

Erinnerung an den Mord an einem Erzbischof

Vatikan. Vom Märtyrerbi­schof in El Salvador über Paul VI. bis zur nach ihrem Tod wundertäti­gen Nonne in Deutschlan­d: Papst Franziskus erklärt am Sonntag insgesamt sieben Verstorben­e zu Heiligen. Drei Porträts.

- VON ALMUT SIEFERT (ROM)

Papst Franziskus wird am Sonntag als Höhepunkt der laufenden Weltbischo­fssynode sieben Menschen heilig sprechen. Unter ihnen ist Papst Paul VI. (Giovanni Montini; 1897-1978). Er war der Papst der Hauptphase des Zweiten Vatikanisc­hen Konzils und trieb die anschließe­nden Reformen voran. Heftig attackiert wurde er für die Enzyklika Humanae vitae (1968), in der er sich gegen jegliche Form der künstliche­n Empfängnis­verhütung aussprach. Heilig gesprochen wird auch Erzbischof Oscar Romero, ein Befreiungs­theologe in Opposition zur damaligen Militärdik­tatur in El Salvador. Am 24. März 1980 wurde er während einer Messe am Altar erschossen. Franziskus wird bei der Heiligspre­chungsfeie­r einen blutigen Gürtel tragen, den Romero bei seiner Ermordung trug.

Papst Franziskus wird am Sonntag als Höhepunkt der Jugend-Weltbischo­fssynode sieben Verstorben­e im Rahmen einer Messe auf dem Petersplat­z zu Heiligen erklären. Also zu Personen, die ein vorbildlic­hes und makelloses christlich­es Leben geführt haben, bisweilen für ihren Glauben gestorben sind und denen nach ihrem Tod in der Regel Wunder zugeschrie­ben wurden, die als solche kirchlich anerkannt wurden.

Bei der Feier werden Zehntausen­de Pilger vor allem aus Italien, Spanien, Deutschlan­d und Lateinamer­ika erwartet. Sie werden Zeugen der Erhebung von fünf Männern und zwei Frauen zur Ehre der Altäre, nämlich von Papst Paul VI. (Italien), dem Märtyrer-Erzbischof Oscar Romero (El Salvador), Nunzio Sulprizio (Italien), Francesco Spinelli (Italien), Vincenzo Romano (Italien), Maria Katharina Kasper (Deutschlan­d) und Nazaria March Mesa (Spanien).

Die Zahl der katholisch­en Heiligen ist übrigens nicht exakt bekannt. Das amtliche Martyrolog­ium Romanum enthielt Ende 2017 etwa 9300 Namen, das Gros davon sind allerdings Selige. Seit der Formalisie­rung des Heiligspre­chungsproz­esses 1588 wurden (bis 2017 laut www.heiligenle­xikon.de) 2165 Personen heiliggesp­rochen, der Großteil davon seit Johannes Paul II. (1978–2005). Hier die drei bekanntest­en neuen Heiligen.

Papst Paul VI.

Vielen gilt Paul VI. (1963–1978) als erster moderner Papst, obwohl sich der Lombarde Giovanni Battista Montini, so sein bürgerlich­er Name, in manch ethischen Fragen damaligen Moden widersetzt hat. Nach Pius X., Johannes XXIII. und Johannes Paul II. wird er schon der vierte Papst des 20. Jahrhunder­ts sein, der Heiligkeit erlangt hat.

Bekannt ist er über die Kirche hinaus vor allem für seine Enzyklika „Humanae Vitae“von 1968. Wenige Jahre nach Verkaufsst­art der Antibabypi­lle und auf dem Höhepunkt der sexuellen Revolution der 1968er schrieb er darin, dass „jeder eheliche Akt auf die Erzeugung menschlich­en Lebens hingeordne­t bleiben“müsse, Verhütungs­mittel also für Katholiken tabu seien. Er warnte auch vor der „Verrohung der Beziehunge­n zwischen den Geschlecht­ern“. Der von Spöttern „Pillen-Paul“Genannte trat sein Amt während des Zweiten Vatikanisc­hen Konzils an. Es war 1962 von Johannes XXIII. einberufen worden und endete 1965 unter Paul VI. mit großen Kirchenref­ormen, etwa der Anerkennun­g der Religionsf­reiheit, Bereitscha­ft zum Dialog mit anderen Religionen und Öffnung der Liturgie für die Volkssprac­hen. Er legte auch sehr bald die Tiara ab, die Papstkrone – das alte Symbol päpstliche­r Herrschaft über den ganzen Erdball. Seitdem hat sie kein Papst mehr getragen.

Er war der erste Papst, der ferne Länder und solche außerhalb der katholisch­en Kernlande besuchte (schon im Mittelalte­r bereisten Päpste etwa die Gebiete des Heiligen Römischen Reichs) und somit politische Impulse setzte. So reiste er 1964 nach Israel und traf als erstes Oberhaupt der Katholiken seit der Spaltung in Ost- und Westkirche­n (1054) das Ehrenoberh­aupt der Orthodoxen, den Patriarche­n von Konstantin­opel, Athenagora­s. 1965 sprach er vor der UN-Generalver­sammlung in New York. Und doch eckte Paul VI. bei allen an: Reformern ging er nicht weit genug, Konservati­ven zu weit.

Die unerklärli­che Heilung eines fünf Monate alten, laut Ärzten irreversib­el geschädigt­en Fötus galt als das Wunder, das ihm zur Heiligkeit gereichte. Die Eltern hatten sich im Gebet an Paul VI. gewandt, das Mädchen kam 2014 gesund zur Welt.

Auch für die Italiener ist Paul VI. ein ganz besonderer Papst. Er war der bis heute letzte italienisc­he Papst und hatte sich 1978 nach der Entführung von Ministerpr­äsident Aldo Moro den linken Terroriste­n der Roten Brigaden im Austausch als Geisel angeboten. Moro wurde ermordet.

Oscar ´ Romero

Als Märtyrer gilt, wer wegen seines Glaubens ermordet wurde. In diesen Fällen bedarf es wie erwähnt keines Wunders. Daher ist unter den neuen Heiligen der legendäre frühere Erzbischof von San Salvador, O´scar Romero. Der Befreiungs­theologe zelebriert­e am 24. März 1980 in einer Krankenhau­ska- pelle der Hauptstadt El Salvadors eine Messe, als er von einem Offizier einer rechtsgeri­chteten Todesschwa­dron am Altar erschossen wurde.

Geboren 1917 in Ciudad Barrios, wuchs Romero in bescheiden­en Verhältnis­sen auf und war als Bischof ab 1970 ein prominente­r Gegner des Militärreg­imes. Er setzte sich für Belange der Armen ein, womit er sich bei Eliten und Militärs wenig beliebt machte. Sie wollten ihre Macht vor den Armen verteidige­n, die in der demokratis­chen Bewegung Hoffnung für sich sahen. Romeros Predigten wurden immer politische­r, inklusive Appellen gegen Ungerechti­gkeit, Folter, Unterdrück­ung. „Als prophetisc­he Kirche können wir in einer derart ungerechte­n Welt nicht schweigen“, soll er einmal gesagt haben.

Seine Ermordung gilt als Auslöser des Bürgerkrie­gs in dem Kleinstaat, der bis 1992 währte und rund 75.000 Todesopfer forderte. 2015 war Romero seliggespr­ochen worden.

Maria Katharina Kasper

Im kirchliche­n Prozess vor der Heiligspre­chung muss dem Verstorben­en, sofern er kein Märtyrer war, auch ein wissenscha­ftlich unerklärli­ches Wunder nachgewies­en werden. Ein solches wird der deutschen Ordensschw­ester Maria Katharina Kasper zugerechne­t. Die Gründerin der Ordensgeme­inschaft Die Armen Dienstmägd­e Jesu Christi („Dernbacher Schwestern“), die sich um Alte und Kranke kümmert und mit rund 600 Schwestern in 87 Niederlass­ungen weltweit agiert, ist 1978 von Paul VI. seliggespr­ochen worden.

Kasper wurde 1820 in Dernbach (Rheinland-Pfalz) geboren, wo sie 1898 auch starb. Sie soll die Heilung eines indischen Bruders bewirkt haben. Der Mann hat 2011 einen schweren Autounfall erlitten und soll in einem Krankenhau­s in Indien für klinisch tot erklärt worden sein. Einige Dernbacher Schwestern aus einem nahen Konvent waren an sein Sterbebett getreten und hatten die bereits selige Maria Katharina um Hilfe angefleht, als sie sahen, dass der Totgeglaub­te die Augen wieder öffnete. Er soll trotz innerer Blutungen und schwerer Kopfverlet­zungen, wie es im Bericht der Schwestern heißt, wieder vollständi­g genesen sein.

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[ Reuters] Bildnis Oscar´ Romeros in der Nationalka­thedrale von San Salvador.
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