Lichtimpulse entlang des Tunnels
Ein in die Tunnelwand integriertes System überprüft laufend jede mögliche Veränderung der Baukonstruktion und der darüber ruhenden Gesteinsmassen.
Ein einziges Messsystem – und eine Tunnelröhre von vielen Kilometern Länge kann ständig überprüft und auf ihre tektonische Sicherheit hin überwacht werden. Von einem „Nervensystem für Tunnelschalen“spricht man an der TU Graz, wenn das Forschungsprojekt des Ingenieurgeodäten Werner Lienhart beschrieben wird. Die Tunnelsicherung, die er und sein Team gemeinsam mit der Montanuni Leoben entwickelt haben, ist bereits erprobt worden.
Lienhart, der an der TU Graz das Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme leitet, ist mit Unterstützung der Forschungsabteilung der ÖBB-Infrastruktur AG und der ÖBB-Fachabteilung Tunnelbau vor drei Jahren in das Forschungsprojekt zur Überwachung von Tunnelkonstruktionen eingestiegen. Im gängigen Tunnelbau werden Tübbinge, das sind vorgefertigte Betonsegmente mit jeweils ca. 1,90 Meter Breite und 4,70 Meter Länge, für die Innenausschalung verwendet, wobei ein Betonring aus sechs bis acht Tübbingen besteht. So werden für den 32,9 Kilometer langen Koralmtunnel – das Herzstück der Bahnverbindung Graz–Klagenfurt – an die 160.000 Tübbinge benötigt.
Die bisherige Tunnelinspektion erfolgte entweder mit speziellen Messfahrzeugen, die wiederum während ihrer Sicherungsfahrten den Bahnverkehr blockierten; oder es werden einige Messstellen eingebaut, die mit Sensoren ausgestattet wurden. Das neue, bereits im Vorjahr patentierte Verfahren garantiert aber eine durchgängige, also geradezu Zentimeter für Zentimeter vorgenommene und ständig parate Überwachung einer Tunnelröhre.
Werner Lienhart geht vom sogenannten Structural Health Monitoring aus, das die kontinuierliche Überwachung des Zustands eines Objekts garantiert. Denn gerade bei Tunnelbauten können Bewegungen im Gestein vorhanden sein, die eine ständige Überwachung erfordern. Die TU-Forscher setzen dabei Glasfaserkabel ein, die eine Datenübertragung über mehrere Kilometer ermöglichen. Gleichzeitig dienen die Kabel als sensitive Elemente. In diese Sensorkabel werden Lichtimpulse geschickt, die bei Störungen zum Teil zurückstrahlen und die Unregelmäßigkeiten anzeigen. Der Einbau der Glasfaserkabel erfolgt bereits bei der Herstellung der Tübbinge.
Die Rückmeldung kann exakte Daten über eine Dehnungsänderung eines Tübbingelements und eine Verformung der Gesteinsmassen liefern (so sie erfolgen). Ebenso ist eine Überwachung der jeweils herrschenden Temperatur und schließlich auch die Detektion von Rissen in Betonstrukturen integriert. Im parallel zur Patentanmeldung vorgenommenen Probebetrieb an der Montanuni (Lehrstuhl für Subsurface Engineering) hat sich die Entwicklung bewährt. Vorerst wurden am Tübbingprüfstand verschiedene Messverfahren auf ihre Praxistauglichkeit getestet, dann wurde das neue Verfahren installiert. Dabei hat man zum Schutz der Glasfaser während der Tübbingproduktion ein robustes Sensorkabel verwendet, das eine Ummantelung aus Stahl und eine strukturierte Oberfläche aus Kunststoff besaß.
Nach den Messungen an der Montanuni wurde mit dem Testeinbau in einem Abschnitt des im Bau befindlichen Koralmtunnels begonnen. Hier können mehrere mit Glasfaserkabeln ausgestattete Tübbingringe an eine Messstation angeschlossen werden. Im nächsten Schritt können auch weitere Tunnel in Österreich mit dem neuen Überwachungssystem ausgestattet werden. Neben Tunnelbauten denkt der Institutsvorstand der TU Graz schon an weitere Anwendungsgebiete. So will Werner Linhart jetzt den Fokus auf die Infrastrukturüberwachung im Brückenbau – besonders aktuell nach dem Autobahneinsturz in Genua – richten.
misst der Koralmtunnel, an dem das neue Sicherungssystem der TU Graz in einem ersten Abschnitt erprobt wird. Ein Jahr nach seiner Fertigstellung 2025 ist die Eröffnung des 27,3 km langen Semmeringbasistunnels geplant, auch dort soll es eingebaut werden.
(Betonringteile) werden für den Koralmtunnel benötigt. Bei künftigen Tunnelgroßprojekten wird durch die mit Tübbingen zusammengesetzten Betonringe ein Glasfaserkabel verlaufen, das gemeinsam mit den durch diese Sensorkabeln geleiteten Lichtquellen Störungen der Baustruktur anzeigt.