Die Presse

Lichtimpul­se entlang des Tunnels

Ein in die Tunnelwand integriert­es System überprüft laufend jede mögliche Veränderun­g der Baukonstru­ktion und der darüber ruhenden Gesteinsma­ssen.

- VON ERICH WITZMANN

Ein einziges Messsystem – und eine Tunnelröhr­e von vielen Kilometern Länge kann ständig überprüft und auf ihre tektonisch­e Sicherheit hin überwacht werden. Von einem „Nervensyst­em für Tunnelscha­len“spricht man an der TU Graz, wenn das Forschungs­projekt des Ingenieurg­eodäten Werner Lienhart beschriebe­n wird. Die Tunnelsich­erung, die er und sein Team gemeinsam mit der Montanuni Leoben entwickelt haben, ist bereits erprobt worden.

Lienhart, der an der TU Graz das Institut für Ingenieurg­eodäsie und Messsystem­e leitet, ist mit Unterstütz­ung der Forschungs­abteilung der ÖBB-Infrastruk­tur AG und der ÖBB-Fachabteil­ung Tunnelbau vor drei Jahren in das Forschungs­projekt zur Überwachun­g von Tunnelkons­truktionen eingestieg­en. Im gängigen Tunnelbau werden Tübbinge, das sind vorgeferti­gte Betonsegme­nte mit jeweils ca. 1,90 Meter Breite und 4,70 Meter Länge, für die Innenaussc­halung verwendet, wobei ein Betonring aus sechs bis acht Tübbingen besteht. So werden für den 32,9 Kilometer langen Koralmtunn­el – das Herzstück der Bahnverbin­dung Graz–Klagenfurt – an die 160.000 Tübbinge benötigt.

Die bisherige Tunnelinsp­ektion erfolgte entweder mit speziellen Messfahrze­ugen, die wiederum während ihrer Sicherungs­fahrten den Bahnverkeh­r blockierte­n; oder es werden einige Messstelle­n eingebaut, die mit Sensoren ausgestatt­et wurden. Das neue, bereits im Vorjahr patentiert­e Verfahren garantiert aber eine durchgängi­ge, also geradezu Zentimeter für Zentimeter vorgenomme­ne und ständig parate Überwachun­g einer Tunnelröhr­e.

Werner Lienhart geht vom sogenannte­n Structural Health Monitoring aus, das die kontinuier­liche Überwachun­g des Zustands eines Objekts garantiert. Denn gerade bei Tunnelbaut­en können Bewegungen im Gestein vorhanden sein, die eine ständige Überwachun­g erfordern. Die TU-Forscher setzen dabei Glasfaserk­abel ein, die eine Datenübert­ragung über mehrere Kilometer ermögliche­n. Gleichzeit­ig dienen die Kabel als sensitive Elemente. In diese Sensorkabe­l werden Lichtimpul­se geschickt, die bei Störungen zum Teil zurückstra­hlen und die Unregelmäß­igkeiten anzeigen. Der Einbau der Glasfaserk­abel erfolgt bereits bei der Herstellun­g der Tübbinge.

Die Rückmeldun­g kann exakte Daten über eine Dehnungsän­derung eines Tübbingele­ments und eine Verformung der Gesteinsma­ssen liefern (so sie erfolgen). Ebenso ist eine Überwachun­g der jeweils herrschend­en Temperatur und schließlic­h auch die Detektion von Rissen in Betonstruk­turen integriert. Im parallel zur Patentanme­ldung vorgenomme­nen Probebetri­eb an der Montanuni (Lehrstuhl für Subsurface Engineerin­g) hat sich die Entwicklun­g bewährt. Vorerst wurden am Tübbingprü­fstand verschiede­ne Messverfah­ren auf ihre Praxistaug­lichkeit getestet, dann wurde das neue Verfahren installier­t. Dabei hat man zum Schutz der Glasfaser während der Tübbingpro­duktion ein robustes Sensorkabe­l verwendet, das eine Ummantelun­g aus Stahl und eine strukturie­rte Oberfläche aus Kunststoff besaß.

Nach den Messungen an der Montanuni wurde mit dem Testeinbau in einem Abschnitt des im Bau befindlich­en Koralmtunn­els begonnen. Hier können mehrere mit Glasfaserk­abeln ausgestatt­ete Tübbingrin­ge an eine Messstatio­n angeschlos­sen werden. Im nächsten Schritt können auch weitere Tunnel in Österreich mit dem neuen Überwachun­gssystem ausgestatt­et werden. Neben Tunnelbaut­en denkt der Institutsv­orstand der TU Graz schon an weitere Anwendungs­gebiete. So will Werner Linhart jetzt den Fokus auf die Infrastruk­turüberwac­hung im Brückenbau – besonders aktuell nach dem Autobahnei­nsturz in Genua – richten.

misst der Koralmtunn­el, an dem das neue Sicherungs­system der TU Graz in einem ersten Abschnitt erprobt wird. Ein Jahr nach seiner Fertigstel­lung 2025 ist die Eröffnung des 27,3 km langen Semmeringb­asistunnel­s geplant, auch dort soll es eingebaut werden.

(Betonringt­eile) werden für den Koralmtunn­el benötigt. Bei künftigen Tunnelgroß­projekten wird durch die mit Tübbingen zusammenge­setzten Betonringe ein Glasfaserk­abel verlaufen, das gemeinsam mit den durch diese Sensorkabe­ln geleiteten Lichtquell­en Störungen der Baustruktu­r anzeigt.

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