Mit dem Zeichenblock auf Expedition
Wenn sie neue oder besonders schützenswerte Arten entdecken, greifen Biologen gern auf die Expertise von Margareta Pertl zurück. Die Grafikerin unterstützt die Wissenschaftler bei der Dokumentation.
Den Dschungel habe ich mir anders vorgestellt“, erzählt Margareta Pertl. „Ein bisschen mehr so wie im ,Dschungelbuch‘ von Walt Disney.“Tatsächlich registrierte sie auf Expeditionen nach Madagaskar, bei denen sie Botaniker der Uni Wien zweimal begleitete, dass es sich eher um einen lichten, weil stark gerodeten Wald handelte – wenn auch „mit Lianen und Vegetation, die es bei uns nicht gibt“.
Pertl reiste als botanische Illustratorin mit. Die an der Akademie der bildenden Künste in Wien ausgebildete Grafikerin hält in ihren Zeichnungen mit Tusche und Bleistift sowie in ihren Aquarellen fest, was die Wissenschaftler finden und Fotos nicht auszudrücken vermögen. „Ich stelle die Pflanze als Ganzheit dar – Blüten, Blätter, Stängel und auch die Wurzeln“, schildert sie. Auf einem Bild lassen sich verschiedene Entwicklungsstadien zeigen: von aufgehenden Knospen bis zu ausgereiften Samenkapseln. Pertl misst jedes Detail ab, hält jedes noch so kleine Merkmal fest.
Ein Foto könne das bei der Dokumentation neuer oder wenig bekannter Arten nicht leisten, sagt Michael Kiehn, Direktor des Botanischen Gartens der Uni Wien. Die Perspektive kann die Realität verzerren. Schon durch den Zoom wirkt die Pflanze anders. Mitunter sei auf Fotos auch Irrelevantes zu sehen, das könne man auf einer Zeichnung einfach weglassen. Daher ist für die Forscher Pertls Expertise „unschätzbar wertvoll, um eine Pflanze korrekt zu beschreiben“. Als sie etwa in Madagaskar neue Orchideenarten entdeckten, war Pertl die Erste, die sie mit gekonnten Strichen festhielt: direkt vor Ort, denn viele Pflanzen sind geschützt und dürfen nicht ausgeführt werden.
Manchmal war Pertl bei den mehrstündigen Touren ins Landesinnere mit dabei, manchmal wartet sie im Lager, bis die Forscher ihr Pflanzen bringen. Manche Arten blühen nur zur Regenzeit. „Es ist sehr heiß und schwül, und ich bin jetzt 66 Jahre alt“, sagt sie. Wenn es für sie tagsüber zu anstrengend ist, mitzufahren, sitzt sie abends unter einem Baum und zeichnet erste Skizzen – vorausgesetzt, es gibt Strom, sonst ist es stockfinster.
Das Interesse der Forscher gilt auf Madagaskar unter anderem der Gattung Vanilla. Zwölf Arten seien hier bekannt, elf bereits dokumentiert, so Kiehn. Das fehlende Exemplar zu finden, erweist sich aber als schwierig: Zwar wissen die Forscher bereits, wo es wächst, doch zuletzt durchkreuzte schlechtes Wetter ihre Pläne: Sie mussten einen langen Umweg auf holprigen Straßen nehmen und kamen einige Tage zu spät an – die gesuchte Vanille war bereits verblüht.
Ein weiterer Schwerpunkt der Wiener Forscher sind Orchideen der Gattung Bulbophyllum – der Botanische Garten verfügt über eine der weltweit größten Sammlungen. Auch sie hält Pertl fest und hatte dabei bereits das eine oder andere kuriose Erlebnis: „Manche Arten stinken und locken so Fliegen als mögliche Bestäuber an. Da erntet man immer wieder skeptische Blicke und muss Besuchern die Herkunft des Geruchs kurz erklären“, schildert sie lachend. Zugleich findet sie es faszinierend, auf welch ausgeklügelte Weise die Pflanzen Bestäuber anlocken.
(66) studierte Druckgrafik, Kleinbildhauerei und Kunsterziehung an der Akademie der bildenden Künste. Seit 1998 arbeitet sie als botanische Illustratorin und lebt in Wien und Dublin. Ihr Schwerpunkt liegt auf Orchideen. Zweimal begleitete sie Forscher des Botanischen Gartens der Uni Wien auf ihren Expeditionen nach Madagaskar. Die Fakultät für Lebenswissenschaften zeichnete sie im Vorjahr für ihre Leistungen als „Research Fellow“aus. Seit 2018 ist sie Präsidentin der neu
Die Liebe zu Orchideen und zur Botanischen Illustration entdeckte Pertl allerdings erst spät – und durch einen Zufall. Die Wienerin und ihr Partner zogen mit den vier Kindern ins irische Dublin. Dort lebten sie nahe dem Botanischen Garten. Als Pertl einmal vom Regen überrascht wurde, ging sie in ein Glashaus, wo ein Gärtner gerade die Orchideen erklärte. „Das hat mich derartig fasziniert, dass ich begonnen habe, sie näher zu studieren“, sagt sie.
Als sie die Sommer in Wien verbrachte, knüpfte sie dort im Botanischen Garten Kontakte, erste Projekte starteten. Neben den Orchideenillustrationen liegt bis heute ein Fokus auf der Dokumentation schützenswerter Pflanzen des Pannonikums wie dem Österreichischen Drachenkopf (Dracocephalum austriacum), einem krau- gegründeten Wiener Schule der botanischen Illustration.
sollen die in Österreich traditionsreiche Technik wiederbelebt und die notwendigen künstlerischen und botanischen Kenntnisse vermittelt werden. Die botanische Illustration vermag Merkmale einer Pflanze hervorzuheben, die auf einem Foto kaum zur Geltung kommen. Außerdem können auf einem Bild mehrere Entwicklungsstadien festgehalten werden. tigen Lippenblütler. Manche Arten wirkten zwar nicht außergewöhnlich, seien aber für den Artenschutz wertvoll, weil sie selten sind, sagt die Grafikerin.
Ob heimische Rarität oder exotische Besonderheit: Pertl hat bei ihrer Tätigkeit bereits viel biologisches Wissen erworben. „Ich befasse mich umfassend mit jeder Pflanze, lese die gesamte Literatur, gehe ins Herbarium und sehe mir Fotos an“, schildert sie. Die enge Kooperation mit Gärtnern und Forschern brauche es dennoch: „Hinweise auf manches, das nicht gleich zu sehen ist, sind notwendig.“Als sie etwa einmal eine Gebirgsrose – der lateinische Name, Rosa pendulina, verweist auf die herunterhängenden Hagebutten – mit stachellosen Zweigen malte, zeigte ihr ein Gärtner die ganz unten sitzenden, borstenartigen Dornen, die Tiere davon abhalten, hinaufzuklettern.
Ihr Wissen will Pertl in der zu Jahresbeginn gegründeten Wiener Schule der botanischen Illustration weitergeben. Die Bezeichnung knüpft an eine Tradition an, die am Botanischen Garten bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Wobei die Dokumentation in Praxis und Vermittlung für sie mehr zählt als die Ästhetik: „Ein Blumenbild als solches interessiert mich nicht. Mich interessiert nur die Struktur“, sagt sie. Dass die Bilder am Ende auch ästhetisch wirkten, liege nicht an ihr, sondern an der Pflanze.