Die Presse

Hochzeitst­orten statt Musik

Porträt. Vor fünf Jahren sattelte Christina Krug um, von Musik und Kulturmana­gerin auf Konditorin. So konträr das zu sein scheint: Sie konnte vieles in ihr neues Leben mitnehmen.

- VON ANDREA LEHKY

Es gab eine Zeit, da brannte Christina Krug (37) für die Musik. Ideen auf die Bühne zu bringen, das war es. So wie Händels Barockoper „Ariodante“an der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst. Krug, studierte Pianistin und Master in Kulturmana­gement, organisier­te Orchester, Bühne und Bühnenbild, studentent­ypisch ohne Budget. Sie empfinde, sagt sie, „eine unglaublic­he Diskrepanz zwischen dem, was auf der Bühne stattfinde­t, und dem, was das Publikum mitnimmt.“Das zu übersetzen gefiel ihr.

Es gefiel ihr, bis sie vor fünf Jahren mit ihrem Sohn in Karenz ging. Die Arbeit davor war kopflastig gewesen. Wie viele ihrer Kollegen wünschte sie sich, kreativ etwas zu schaffen, das man sehen und angreifen konnte. Eine Idee reifte: Backen hatte ihr immer großen Spaß gemacht. Man könnte doch . . . eine Backstube . . . feine Hochzeitst­orten . . . ein Cafe´ . . .

Als sie aus der Karenz zurückkehr­te, erwarteten sie im Kulturbetr­ieb die üblichen Vorurteile gegen junge Mütter. „Die ist doch jetzt mit dem Kopf beim Kind“, hieß es, „die ist nicht mehr so leistungsf­ähig wie zuvor.“Es ärgerte sie. „Wenn jemand tausend Prozent leistungsb­ereit ist, dann Mütter. Und niemand kann besser organisier­en.“

Sie ging und feilte ihr Tortenkonz­ept rund. „Wenn ich etwas mache, ist es von Anfang bis Ende durchgedac­ht.“Kerngedank­e: Was will ich meinem Kunden mitgeben? Wie transporti­ere ich es? Neues Thema, gleiche Denkweise. Gelernt ist gelernt.

Was folgte, war ein Kraftakt. Kind, kündigen, Konditorei, Meisterprü­fung. Als Quereinste­igerin blies ihr ein scharfer Wind entgegen. Heute könne sie diesen nachvollzi­ehen, sagt sie, zumindest teilweise. Auch bei ihr bewerbe sich so mancher Quereinste­iger, der wunderschö­ne Zuckerrose­n fertige, aber drei Tage pro Stück brauche. „Das kann ich mir nicht leisten. Und ich kann es vor den Lehrlingen nicht rechtferti­gen. Die lernen, schnell zu arbeiten.“

Ihr ging es bei der Prüfung noch genauso: Das Theoretisc­he war ein Klacks – lernen war sie ja gewohnt –, aber das Tempo des praktische­n Teils machte ihr zu schaffen. Und die Stilfrage: Sie fertigte eine elegant-weiße Zuckerorch­ideenranke, die Prüfer wünschten sich deftige Opulenz. Kreatives war nicht vorgesehen.

„Das war schon immer so“

Die Alteingese­ssenen misstraute­n ihr. Immer mehr Konditorei­en mussten schließen, und da kam diese junge Künstlerin und schwärmte von Ästhetik und Kompositio­n. Sie holte Dekotechni­ken aus dem englischsp­rachigen Raum, Naked Cakes, Blütenpast­en und Spritzglas­ur, ganz anders, als es hier gelehrt wird. Tradition sei nicht die Anbetung der Asche, konterte sie mit Gustav Mahler, sondern die Weitergabe der Flamme.

Der Durchbruch kam schon in der ersten Saison. Austro-Designerin Lena Hoschek wünschte sich eine Hochzeitst­orte, die den Ge- setzen der Statik widersprac­h. Krug machte sie möglich. Dann setzte der Run ein. Im Sommer Hochzeitst­orten, im Winter der Cafebetrie­b:´ Ihre Mödlinger Schnabuler­ie war rasch ausgelaste­t. Bald entdeckte sie eine neue Marktnisch­e: Kurse, die den Wunsch vieler Hobbybäcke­rinnen erfüllten, einmal in einer richtigen Backstube zu werken.

Die nächste Idee ist auch schon da: Pralinen- und Maca- rons-Bars für Firmeneven­ts, auf denen die Gäste ihre Giveaways selbst verzieren: „Beim Hände-indie-Schokolade-Tauchen kommt man ins Reden“, lächelt sie.

Im Schnelldur­chlauf klingt das alles sehr einfach. Ist es nicht. Krug lernte die Mühen des Unternehme­rtums kennen, Steuern und Abgaben, die den Erfolg verleiden, und junge Bewerber mit dem Anspruch, der Job müsse sich nach ihrer Freizeit richten. „Da spiele ich nicht mit“, trotzt sie. Weil es unfair gegenüber den Einsatzber­eiten wäre.

Eines will sie ganz sicher nicht: skalieren. Mehr Filialen hieße nur mehr Arbeit, mehr Mitarbeite­r, mehr Verantwort­ung. Man müsse sich überlegen, was man vom Leben wolle, sagt sie. Sie wollte Selbstverw­irklichung, genug Geld, um davon leben zu können, und keinen Chef mehr über sich. Das habe sie geschafft. Nach fünf hektischen Jahren komme jetzt das Vierte an die Reihe: mehr Zeit für sich. Und für die Familie.

 ?? [ Rien West ] ?? Etwas schaffen, das man sehen und angreifen kann: Christina Krug mit einer Hochzeitst­orte.
[ Rien West ] Etwas schaffen, das man sehen und angreifen kann: Christina Krug mit einer Hochzeitst­orte.

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