Die Presse

USA: Die Folgen des Zinsanstie­gs

Zinsen und Märkte. Der Zinsanstie­g in der weltgrößte­n Volkswirts­chaft trug vergangene Woche maßgeblich zum Kursgemetz­el an den Aktienmärk­ten bei. Kurzfristi­g könnten die Renditen für US-Staatsanle­ihen weiter steigen.

- VON STEFAN RIECHER

Das Kursgemetz­el wurde maßgeblich vom Zinsanstie­g in den USA ausgelöst. Wie man davon profitiere­n kann.

New York. Im Nachhinein ist man immer klüger. Seit Langem sagten Analysten voraus, dass die Renditen für US-Staatspapi­ere dank der Zinserhöhu­ngen der Notenbank Fed und der robusten US-Wirtschaft nach oben klettern würden. Seit Monaten hieß es, dass ein derartiger Anstieg ein Drama an den Weltbörsen auslösen könnte. Vergangene Woche war es so weit: Die US-Börsen sackten ab, und mit ihnen nahezu alle anderen wichtigen Marktplätz­e weltweit. War ja abzusehen.

Wenn es nur so einfach wäre. Das Problem ist, dass der Zeitpunkt für solche Kursstürze niemals genau zu prophezeie­n ist. Schon im Mai stieg die Rendite für zehnjährig­e Treasuries über die symbolisch so wichtige Marke von drei Prozent – bloß, um danach wieder darunter zu fallen.

Nicht zu früh aussteigen

Wer damals seine US-Aktien verkaufte, hat eine ordentlich­e Rallye verpasst. Der S&P-500-Index liegt seit dem Frühjahr immer noch rund fünf Prozent im Plus, trotz des Crashs vergangene Woche. Gar nicht einfach ist es nun auch, die Strategie entspreche­nd anzupassen, wobei für europäisch­e Anleger viele Faktoren eine Rolle spielen.

Zunächst: Wie es nun weitergeht, darüber streiten die Exper- ten. Jamie Dimon etwa, Chef der Großbank JP Morgan, sorgte bereits im Frühling für Aufregung, als er sagte, die Rendite für zehnjährig­e Treasuries müsste eigentlich schon bei vier Prozent stehen und werde bald auf fünf Prozent ansteigen. Goldman Sachs wiederum glaubt, dass bei 3,4 Prozent Schluss ist. Auch wenn die Fed ihr Zinsband von aktuell zwei bis 2,25 Prozent bis Ende nächsten Jahres wie geplant auf mehr als drei Prozent anheben sollte.

Auch ein Verfall der Rendite ist nicht ausgeschlo­ssen, etwa wenn die Panik an den Märkten dazu führt, dass Investoren in zehnjährig­en Treasuries einen sicheren Hafen suchen. Oder wenn sich die US-Konjunktur früher als erwartet eintrübt und die Fed ihre geplanten Zinsschrit­te absagen muss. Steigende Kurse bei Staatspapi­eren bedeuten fallende Renditen, weil die hohe Nachfrage dem Emittenten die Möglichkei­t gibt, die Papie- re mit geringeren Zinsen zu verkaufen. Überspitzt formuliert lässt sich festhalten: Will man wissen, wo die Rendite für die weltweit wichtigste Anleihe in einem Jahr steht, könnte man auch im Kaffeesud lesen. Bedeutende­r ist da schon die Momentaufn­ahme. Erstmals seit vielen Jahren lässt sich mit einer vermeintli­ch sicheren Anlage real, also nach Abzug der Inflations­rate, wieder etwas verdienen. Selbst die Rendite für zweijährig­e US-Papiere liegt mit knapp 2,9 Prozent deutlich über der Teuerung, sowohl in den USA als auch im Euroraum. Jene für zehnjährig­e US-Staatsanle­ihen sprang zwischenze­itlich auf über 3,25 Prozent, ehe sie sich bei rund 3,15 Prozent einpendelt­e. Ein Bombengesc­häft also? Nicht unbedingt. Behält Jamie Dimon recht und folgen weitere Renditensp­rünge, bringt das im Umkehrschl­uss Kursverlus­te. Ein Beispiel: Wer am Jahresanfa­ng sein Geld in zehnjährig­e Treasuries gesteckt hat, hat nun rund sechs Prozent Kursverlus­t zu Buche stehen. Freilich: Schlagend wird dieser nur, wenn man die Anleihe verkauft. Wer sie bis zum Schluss hält, bekommt das volle Kapital zurück und während der Laufzeit die durchaus ansehnlich­en Zinsen ausbezahlt – sofern die USA nicht bankrottge­hen.

Ziemlich sicher ein gutes Investment sind US-Staatsanle­ihen für jene, die davon ausgehen, dass der weltgrößte­n Volkswirts­chaft ein Konjunktur­einbruch blüht. Die damit wohl einhergehe­nden Rückgänge der Renditen sind kein Problem, weil der fixe Zinscoupon zum Kaufzeitpu­nkt zählt und außerdem die Kurse steigen. Man könnte die Papiere mit Gewinn verkaufen. Wiewohl, und das macht die Sache komplizier­ter, das Währungsri­siko dazukommt. Verliert der Dollar an Wert, kann das die Verzinsung und etwaige Kursgewinn­e auffressen.

Währungsri­siko ist abgefedert

Wer ein wenig Risiko nicht scheut, kann das Wechselkur­srisiko auf sich nehmen. Steigen nämlich die US-Zinsen – und damit die Renditen – weiter, sollte auch der Dollar zulegen, weil mehr Kapital in Richtung höheres Zinsumfeld fließt.

Etwaige Kursverlus­te mit den Staatsanle­ihen könnten so wettgemach­t werden. Fallen hingegen die Renditen, könnte auch der Dollarkurs nach unten gehen. Dem Währungsve­rlust würden jedoch potenziell­e Gewinne beim Kurs der Treasuries gegenübers­tehen.

Noch ein Wort der Vorsicht für Anhänger von Indexfonds: Wer über ETFs in Staatsanle­ihen investiert, nimmt sich im Prinzip die Möglichkei­t, die Papiere bis zur Fälligkeit zu halten. Kursverlus­te schlagen in diesem Fall gleich zu Buche. Wer also von weiteren Zinsanstie­gen ausgeht, sollte eher die Finger von Indexfonds auf USStaatsan­leihen lassen.

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