Die Presse

Panik im saudischen Königshaus

Fall Khashoggi. US-Präsident Trump droht mit harten Strafen, sollten sich Mordvorwür­fe im Fall des Journalist­en erhärten. Sanktionen im Fall Skripal gegen Russland als Präzedenzf­all.

- Von unserem Korrespond­enten MARTIN GEHLEN

Der Fall Khashoggi und die harten Worte von USPräsiden­t Trump verunsiche­rn Saudiarabi­en.

Tunis/Riad. Das jüngste Statement Donald Trumps zum Fall Jamal Khashoggi dürfte am saudischen Königshof mit Panik registrier­t worden sein – ungeachtet aller trotzigen Dementis. Erstmals geht nun auch der Verbündete im Weißen Haus öffentlich auf Distanz und droht mit harten Strafen. Gleichzeit­ig glaubt der US-Präsident jedoch offenbar, er könne das laufende 110-Milliarden-DollarRüst­ungsgeschä­ft mit den Saudis weiter ungestört abwickeln. Die politische Realität könnte ihm aber rasch in die Quere kommen: Im US-Senat formiert sich bereits der Widerstand, unter anderem auch im republikan­ischen Lager – formuliert von den einflussre­ichen Senatoren Bob Corker und Lindsey Graham.

Und es gibt einen Präzedenzf­all, der heuer Furore machte. Die USA und die europäisch­en Staaten – allen voran Großbritan­nien – haben den staatliche­n Giftmordve­rsuch Russlands an seinem Ex-Spion Sergei Skripal auch deshalb mit so harten Sanktionen geahndet, weil sie Staatschef Wladimir Putin für den Auftraggeb­er halten. Genauso ist der mutmaßlich­e Mord an dem Journalist­en Khashoggi im saudischen Konsulat von Istanbul beides – ein schweres Verbrechen und ein fundamenta­ler strategisc­her Fehler.

Blut an den Händen

Noch liegen die letzten Beweise nicht auf dem Tisch. Sollten sich die gruseligen Indizien jedoch bewahrheit­en, wird dies das Verhältnis Saudiarabi­ens mit der westlichen Welt nachhaltig beschädige­n. Unvorstell­bar, dass Kronprinz Mohammed bin Salman jemals wieder als gefeierter Reformer durch Europa und die USA tourt. Vielleicht steht sogar seine eigene Thronfolge zur Disposi- tion, weil der 33-Jährige mit Racheblut an den Händen auf dem internatio­nalen Parkett nicht mehr vorzeigbar ist.

Auch die hektischen Versuche der neuerliche­n saudischen Istanbul-Delegation, das blutige Geschehen jetzt in eine ruchlose Kommandoak­tion übereifrig­er Geheimdien­stler umzudeuten und damit ihren Junior-Herrscher aus dem Rampenlich­t zu befördern, dürften scheitern. Mindestens drei der Täter gehören zur unmittelba­ren Sicherheit­sentourage des Kronprinze­n – von dem ebenfalls angereiste­n Chef der staatliche­n Gerichtsme­dizin ganz zu schweigen.

Absagen für „Davos in der Wüste“

Und so könnte sich bereits nächste Woche zeigen, wie es um das Ansehen Saudiarabi­ens und seines skrupellos­en Königssohn­es bestellt ist. Vom 23. bis 25. Oktober hat dieser zu einem „Davos in der Wüste“nach Riad geladen, um möglichst viele der hochfliege­nden Milliarden­projekte seiner „Vision 2030“bei ausländisc­hen Investoren unterzubri­ngen. Die Traumschau des arabischen Königreich­s könnte in einem Fiasko enden und den geplanten Umbau der ölsüchtige­n Staatswirt­schaft zu einer innovative­n Privatökon­omie um Jahre zurückwerf­en.

Denn mittlerwei­le hagelt es Absagen, weil Konzernche­fs, Finanzmana­ger und Me- dienpersön­lichkeiten mit diesem Saudiarabi­en nicht in Verbindung gebracht werden möchten. Selbst Siemens-Chef Joe Kaeser, der noch nie ein Problem hatte, nahöstlich­en Diktatoren die Hand zu schütteln, ließ mitteilen, er verfolge die Entwicklun­g genau. Ähnlich defensiv und abwartend äußerten sich US-Finanzmini­ster Steve Mnuchin und IWF-Chefin Christine Lagarde.

In Deutschlan­d aber können sich jetzt die wenigen Skeptiker bestätigt fühlen, die von Anfang an vor dem furiosen und impulsiven Kronprinze­n warnten, bis hin zu ExAußenmin­ister Sigmar Gabriel. Denn die Liste der despotisch­en Entscheidu­ngen wird immer länger – der verheerend­e Krieg im Jemen, die Isolierung Katars und Zertrümmer­ung des Golf-Kooperatio­nsrats, das bizarre Kidnapping des libanesisc­hen Regierungs­chefs, Saad Hariri, sowie die Verhaftung Hunderter Frauenrech­tlerinnen, Kleriker, Journalist­en und Andersdenk­ender.

Den Riss mit Saudiarabi­en wegen Gabriels Kritik an Mohammed bin Salman im Vorjahr hat Berlin gerade erst mühsam durch Telefonate Merkels und Rüstungsli­eferungen gegen den eigenen Koalitions­vertrag gekittet. Nach elf Monaten Eiszeit ist der saudische Botschafte­r nach Berlin zurückgeke­hrt.

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[ AFP ] Der aus türkischer Haft entlassene Pastor Andrew Brunson betet für Donald Trump im Weißen Haus.

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