Staatsziel Wirtschaft rückt näher
Gesetz. Die Regierungsparteien haben sich mit den Neos auf das Staatsziel Wirtschaftsstandort geeinigt. Der Gesetzestext wurde entschärft.
Die Regierungsparteien haben sich mit den Neos auf das Staatsziel Wirtschaftsstandort geeinigt.
Wien. Am Mittwoch wird sich der Verfassungsausschuss mit einer politisch umstrittenen Angelegenheit befassen: der Ergänzung des Bundesverfassungsgesetzes um das Staatsziel Wirtschaftsstandort. Die Nervosität ist groß: Laut Austria Presse Agentur haben acht bekannte Umwelt- und Naturschutzorganisationen eine Allianz gegen das Vorhaben geschmiedet und einen gemeinsamen Brief an SPÖ und Neos verfasst. Darin werden die Oppositionsparteien aufgefordert, der türkis-blauen Regierung für ihre Pläne keine erforderliche Zweidrittelmehrheit zu ermöglichen. Doch der Aufruf geht zumindest teilweise ins Leere: ÖVP und FPÖ haben sich mit den Neos bereits auf eine Gesetzesformulierung geeinigt und damit die Hürde einer Verfassungsmehrheit im Nationalrat genommen.
Schon im März hatte das zuständige ÖVP-Wirtschaftsministerium eine entsprechende Regierungsvorlage formuliert. Denn die ÖVP verfolgt die neue Staatszielbestimmung schon lang, genau genommen seit Anfang 2017. Damals hatte das Bundesverwaltungsgericht dem Flughafen Wien den Bau der dritten Piste untersagt. Mit Hinweis auf den Umweltschutz, der im Bundesverfassungsgesetz als Staatsziel festgehalten ist.
Doch die SPÖ, mit der die ÖVP damals eine Koalition bildete, lehnte eine Änderung des Verfassungsgesetzes, mit dem Wirtschaftswachstum mit Umweltschutz gleichgesetzt werden sollte, ab.
Verhandlungen mit Neos
Mit der türkis-blauen Regierung wurde das Thema wieder aktuell. Dennoch mussten noch ausgiebige politische Gespräche geführt werden, da die Regierungsparteien allein nicht auf eine notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat kommen. In den vergangenen Monaten verhandelten also die Regierungsparteien mit den Neos. An vorderster Front dabei: ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl sowie ÖVPVerkehrssprecher Andreas Ottenschläger und FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan. Für die Neos führte deren Verfassungssprecher, Nikolaus Scherak, die Verhandlungen.
Herausgekommen ist folgender, der „Presse“vorliegender Abänderungsantrag: „Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu einem nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort als eine Voraussetzung für Wohlstand und Beschäftigung.“
Der Text unterscheidet sich nicht un- wesentlich von der ursprünglichen Regierungsvorlage des Wirtschaftsministeriums. Darin war der Begriff „nachhaltig“nicht vorgekommen. Statt dem nunmehrigen „Wohlstand“hatte das Ministerium die Formulierung „Wachstum“gewählt.
„Sanftere“Formulierung
Offenbar wurden die neuen, „sanfteren“Formulierungen gewählt, um bisherigen Kritikern an dem Vorhaben entgegenzukommen. Immerhin hatten diese wiederholt moniert, dass der Umweltschutz mit einem neuen Staatsziel ins Hintertreffen geraten würde. Manche meinten überhaupt, Umweltschutz und Wirtschaftswachstum würden gegeneinander ausgespielt.
Folglich betont Ottenschläger: „Wir versuchen mit dieser Maßnahme ein wichtiges Zeichen für eine nachhaltige Entwicklung unseres Wirtschaftsstandorts zu set- zen. Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander langfristig.“
Und Verfassungssprecher Gerstl ergänzt: „Mir ist wichtig, dass wir stets einen Ausgleich in den unterschiedlichen Interessen zum Wohl aller Menschen in ganz Österreich erzielen. Die Abdeckung der Grundbedürfnisse Arbeit und Lebensunterhalt muss genauso gewährleistet sein wie die speziellen Bedürfnisse Umwelt- und Tierschutz.“
Die Sache hat freilich einen Haken: Seit den Landtagswahlen in Kärnten hat die SPÖ ein 21. Mandat im Bundesrat und hält dort ein Drittel der Mandate. Sie kann also bestimmte Verfassungsgesetze verhindern. Ottenschläger gibt sich aber zuversichtlich, dass die Sozialdemokraten bei der neuen Formulierung mitkönnen: „Wir haben mit den Neos ein sehr gutes Kompromissangebot formuliert.“