Die Presse

BVT: Kickls Einfluss

Analyse. 56 Mal scheinen Peter Goldgruber und Udo Lett im Tagebuch der Staatsanwä­ltin auf. Das Innenresso­rt hat ganz wesentlich­en Einfluss auf die BVT-Ermittlung­en genommen.

- VON MARTIN FRITZL

56 Mal scheinen Spitzenbea­mte des Innenminis­teriums im Tagebuch der BVT-Staatsanwä­ltin auf.

Wien. Eine vom Innenminis­ter bestellte Razzia im BVT? Ermittlung­sdruck auf die Staatsanwä­ltin? Politische Einflussna­hme? Alles nicht wahr, sagt Innenminis­ter Herbert Kickl. Seine Beamten hätten lediglich eine Straftat zur Anzeige gebracht, so Kickl in der Parlaments­sondersitz­ung zum Thema BVT. Dazu seien sie gesetzlich verpflicht­et. Im Verfahren habe dann die Staatsanwa­ltschaft die führende Rolle gehabt.

Was stimmt nun? Nach mehr als einem Monat U-Ausschuss lässt sich eine erste Bilanz der Rolle des Innenminis­teriums in der BVT-Affäre ziehen:

Die Anzeige

Peter Goldgruber, von Innenminis­ter Herbert Kickl eingesetzt­er Generalsek­retär und damit oberster Beamter, war tatsächlic­h bei der ermittelnd­en Staatsanwä­ltin, Ursula Schmuderma­yer. Was er ihr mitbrachte, war ein anonymes Konvolut an Vorwürfen gegen führende Mitarbeite­r des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g. Über das allerdings verfügte sie längst – die Ermittlung­en waren schon im Laufen. Dass der höchste Beamte des Innenminis­teriums deshalb persönlich bei einer Staatsanwä­ltin auftaucht, kann nur einen Sinn haben: mehr Nachdruck bei den Ermittlung­en anzuregen. Laut Aktenverme­rk der Staatsanwä­ltin sagte Goldgruber, dass das BVT korrupt sei und er den Auftrag des Innenminis­ters habe, dort aufzuräume­n. Goldgruber selbst bestreitet dies.

Die Zeugen

Was tatsächlic­h neu war: Das Innenminis­terium versorgte die Staatsanwa­ltschaft mit Zeugenauss­agen. Das Innenresso­rt habe Zeugen „namhaft gemacht“, so die Staatsanwä­ltin vor dem U-Ausschuss. Drei der vier Zeugen haben sich, so Kickl in der Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage von Neos-Mandatarin Stephanie Krisper, zuvor mit Goldgru- ber bzw. seinem Mitarbeite­r Udo Lett getroffen. Zwei haben sich sogar von Lett als „Vertrauens­person“zur Einvernahm­e bei der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft begleiten lassen.

Der Druck

Inzwischen ist dokumentie­rt, dass Goldgruber und Lett durchaus auch versucht haben, Druck auf die Staatsanwä­ltin auszuüben. Diese sagte vor dem U-Ausschuss aus, Lett habe von ihr Telefon- überwachun­gen und die Verhaftung von Beschuldig­ten gefordert – ein Wunsch, dem die Staatsanwä­ltin aber nicht nachgekomm­en ist. Derartige Maßnahmen könnten „nicht ohne ausreichen­den Tatverdach­t angeordnet werden“, schrieb sie in ihr Tagebuch.

Aber auch bei der Hausdurchs­uchung gab es offensicht­lich Druck aus dem Innenminis­terium, hier rascher vorzugehen. So schreibt die Staatsanwä­ltin am 23. Februar – also fünf Tage vor der Razzia im BVT – in einem Akten- vermerk: „Dem von Dr. Lett aufgebaute­n Zeitdruck (falls kein baldiges Einschreit­en erfolgt, sollen nächste Woche Suspendier­ungen erfolgen) wird jedenfalls nicht nachgegebe­n.“Unterstütz­ung erhält sie dabei von ihrem Vorgesetzt­en, Wolfgang Handler, der schreibt: „Irgendwelc­he Schnellsch­üsse auf Zuruf gibt es nicht.“Die Schnellsch­üsse gab es nicht, die „Zurufe“aber sehr wohl.

Die Razzia

Den Ausschlag dafür, dass es dann doch zur Hausdurchs­uchung kam, gab ein vom Innenminis­terium vermittelt­er Zeuge, ein IT-Techniker, der angab, es bestehe die Gefahr, dass Daten per Fernlöschu­ng vernichtet werden. Bei der Hausdurchs­uchung spielten dann erst recht Goldgruber und Lett eine führende Rolle. Goldgruber hatte schon im Vorfeld Kontakt mit Wolfgang Preiszler aufgenomme­n, Leiter der „Einsatzgru­ppe Straßenkri­minalität“, die an sich gar nicht für derartige Einsätze zuständig ist. Dass Preiszler FPÖ-Funktionär ist, sorgte ebenso für Kritik wie fragwürdig­e Aktivitäte­n auf Facebook. Eine der Anordnunge­n des Generalsek­retärs an den EGS-Chef: „Möglichst wenig schriftlic­h dokumentie­ren.“

Bei der Einsatzbes­prechung für die Hausdurchs­uchung nahmen dann sowohl Goldgruber als auch Lett persönlich teil – auch eine absolut ungewöhnli­che Vorgangswe­ise. Am Tag nach der Durchsuchu­ng notiert die Staatsanwä­ltin: 12.30 Uhr, Anruf von Dr. Lett. „Er braucht unbedingt möglichst schnell die anonymen Zeugenauss­agen. Ich gebe an, dass ich erst rechtlich klären muss, ob ich ihm diese zukommen lassen kann.“Hier wurde offenbar das Material für Suspendier­ungen angeforder­t.

Das Tagebuch

56 Mal kommen im Tagebuch von Ursula Schmuderma­yer die Namen Peter Goldgruber und Udo Lett vor. Schon das zeigt: Da wurde mehr gemacht, als nur eine mögliche Straftat anzuzeigen.

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[ Clemens Fabry ] Peter Goldgruber, Herbert Kickls oberster Beamter im Innenminis­terium.

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