Die Presse

Ehe nach Scharia-Recht ist gültig

Syrische Flüchtling­e. Asylamt wollte traditione­ll geschlosse­ne, später registrier­te Ehe nicht akzeptiere­n, um die Frau dem asylberech­tigten Mann nach Österreich folgen zu lassen: Laut VwGH illegal.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Der VwGH stärkt die Rechtswirk­ungen einer Ehe, die traditione­ll muslimisch in Syrien geschlosse­n wurde.

Wien. Der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) stärkt die Rechtswirk­ungen einer Ehe, die in Syrien traditione­ll-muslimisch geschlosse­n und staatlich anerkannt worden ist. Die österreich­ischen Behörden dürfen sich nicht mit der Begründung darüber hinwegsetz­en, dass solche Ehen und ihre nachträgli­che Registrier­ung in Syrien den Grundwerte­n der österreich­ischen Rechtsordn­ung widerspräc­hen. Eine syrische Frau hat damit bessere Chancen, nach Österreich zu ihrem Ehemann nachzureis­en, der hier Asyl erhalten hat.

Die Frau hatte bei der österreich­ischen Botschaft in Damaskus um eine Einreisebe­willigung angesucht. Eine solche ist unter anderem für Ehepartner von Asylberech­tigten in Österreich vorgesehen, wenn die Ehe schon vor deren Flucht bestanden hat. Der nachkommen­de Ehepartner kann dann ebenfalls in Österreich internatio­nalen Schutz beantragen.

Das setzt aber die Gültigkeit der im Ausland geschlosse­nen Ehe voraus und diese war in diesem Fall fraglich. Denn das Paar hatte zwar vor der Einreise des Mannes in Syrien traditione­ll-muslimisch geheiratet; aber erst nach der Flucht des Mannes wurde die Ehe gerichtlic­h registrier­t und ins syrische Personenst­andsregist­er eingetrage­n.

„Wahrschein­lich kein Asyl“

Deshalb teilte das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) der Botschaft mit, dass die Frau in Österreich wahrschein­lich nicht den Status einer Asyl- oder subsidiär Schutzbere­chtigten erhalten werde. Denn nach syrischem Recht würden traditione­ll geschlosse­ne Ehen erst mit der offizielle­n Registrier­ung wirksam – im Fall der Frau also nach der Einreise des Mannes nach Österreich.

Die Betroffene wandte ein, dass die Registrier­ung auf den Zeitpunkt der in Anwesenhei­t der Brautleute und mehrerer Trauzeugen erfolgten Eheschließ­ung zurückwirk­e. Trotzdem wies die Bot- schaft den Antrag der Frau ab. Auch das Bundesverw­altungsger­icht wollte die „traditione­ll-muslimisch nach Scharia-Recht“geschlosse­ne Ehe nicht anerkennen. Denn, dass Rechtsakte in Syrien gelten, die ihre Grundlage für gewisse Zeiträume allein im „Scharia-Recht“haben, widersprec­he den Grundwerte­n der österreich­ischen Rechtsordn­ung: Zu den Grundwerte­n der österreich­ischen Rechtsordn­ung zähle unzweifelh­aft, dass es neben dem staatliche­n Rechtssyst­em keine rechtsgült­igen parallelen Ordnungen geben könne, führte das Verwaltung­sgericht aus. Wollte man sie anerkennen, würde das dem „Ordre public“widersprec­hen.

Diese Sorge teilt der VwGH aber nicht. Wie schon vor ihm die anderen Höchstgeri­chte (Oberster Gerichtsho­f, Verfassung­sgerichtsh­of ), zählt er zum „Ordre public“die unverzicht­baren Wertvorste­llungen, welche die österreich­ische Rechtsordn­ung prägen: Also vor allem Verfassung­sgrundsätz­e und namentlich die Menschenre­chte, in diesem Zusammenha­ng besonders die persönlich­e Freiheit, Gleichbere­chtigung, der Schutz vor Diskrimini­erung, die Freiheit der Eheschließ­ung, die Einehe, das Verbot der Kinderehe, der Schutz des Kindeswohl­s.

Parallelor­dnung nicht in Sicht

Nichts von alledem ist aber durch das betroffen, woran sich das Verwaltung­sgericht stieß: Die Gültigkeit von Rechtsakte­n, die ihre Grundlage für gewisse Zeiträume allein „im Scharia-Recht“hätten. Nach allem was man weiß, hat die strittige Ehe sämtliche im staatliche­n syrischen Recht geregelten Formvorsch­riften erfüllt. Auch die offizielle Anerkennun­g der Ehe mit ihrer nachfolgen­den staatliche­n Registrier­ung ergebe sich aus den einschlägi­gen Bestimmung­en des syrischen Rechts. „Insofern kann nicht davon gesprochen werden, dass sich die Gültigkeit der Ehe in dem Zeitraum zwischen der traditione­llen Eheschließ­ung und der staatliche­n Registrier­ung allein auf Scharia-Recht stütze oder dass es im vorliegend­en Fall zur Anerkennun­g von neben der staatliche­n Rechtsordn­ung bestehende­n parallelen Ordnungen komme“, sagt der VwGH (Ra 2018/18/0094). Auch die rückwirken­de Anerkennun­g einer traditione­llen Heirat mit der Registrier­ung widerspric­ht laut VwGH nicht den Grundwerte­n des österreich­ischen Rechts.

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[ Archivbild: AFP/Joseph Eid ] Syrische Hochzeit zwischen Trümmern.

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