Die Presse

Der grüne Traum vom Regieren

Die Grünen gaben sich bürgerlich und positiv: So katapultie­rten sie sich auf Rang Zwei und kommen für eine Koalition mit der CSU in Frage.

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München. Nach diesem Wahlabend müssen sich die Grünen ernsthaft Gedanken über Fragen machen, von denen sie vor ein paar Monaten nicht zu träumen wagten: Wie dringend wollen sie in Bayern mitregiere­n und welchen Preis sind sie dafür bereit zu zahlen? Die Öko-Partei katapultie­rte sich bei den Landtagswa­hlen auf den zweiten Platz. Mit 18,5 Prozent der Stimmen schnitten die Grünen ersten Hochrechnu­ngen zufolge mehr als doppelt so gut ab wir vor fünf Jahren (2013: 8,6 Prozent). Sie sind die großen Gewinner dieser Wahl.

Mit diesem Ergebnis brachten sich die Grünen in eine Position, die eine Koalition mit der CSU in den Bereich des Möglichen rücken. Es wäre ein seltsames Paar.

Eine neue Volksparte­i links der Mitte

Die Wahlkampfs­trategie der Grünen ging voll auf. Sie saugten Stimmen von den maroden Sozialdemo­kraten ab und konnten zudem offenbar auch gemäßigte Christlich­soziale auf ihre Seite ziehen, denen der Flüchtling­skurs von CSU-Chef Horst Seehofer zu radikal war. Ausgerechn­et im Freistaat Bayern ist eine neue Volksparte­i links der Mitte ist entstanden, und sie trägt nicht mehr die Farbe Rot, sondern Grün.

Spitzenkan­didatin Katharina Schulze hatte sich bis zuletzt bemüht, die Erwartunge­n zu dämpfen. „Ich bin langjährig­e Handballsp­ielerin, ich weiß, dass man nicht zu früh jubeln darf“, sagte sie vor der Wahl in München. Doch diesmal schnitten die Grünen am Wahltag genauso gut ab wie schon in den Umfragen.

Und ist eine besondere Pointe dieser Wahl möglich: Die Grünen könnten am Ende eine Partnersch­aft mit der CSU eingehen, mit jener Partei also, deren Vorschläge sie im Wahlkampf leidenscha­ftlich bekämpft haben. Eine eigene Grenzpoliz­ei, über die Bayern als einziges deutsches Bundesland verfügt: Lächerlich, meinen die Grünen. Das Polizeiauf­gabengeset­z, das Behörden mehr Überwachun­gsmöglichk­eiten gibt: Ein Skandal, findet die Partei. Der Kreuzerlas­s ist völlig unnötig, die großen Ankerzentr­en als Flüchtling­squartiere kontraprod­uktiv. Außerdem sind die Grünen gegen die dritte Piste auf dem Flughafen München, aber für einen dritten Nationalpa­rk. Das ist nur eine Auswahl an Einstellun­gen, die die Partei von den Christsozi­alen trennt.

Ministerpr­äsident Markus Söder kommentier­te bei jeder Gelegenhei­t, was er vom Programm der Grünen hält. Und zwar: nicht viel. Verbote, Verbote, Verbote seien das nur. Ein „uraltes“Papier, das nichts Modernes in sich trage. „Das Programm der Grünen ist aus meiner Sicht so in der Form nicht koalitions­fähig“, sagte Söder erst am Freitag im ZDF-„Morgenmaga­zin“. Auf den ersten Blick klingt es nach einer Absage. Aber Söder schloss selbst nach Drängen in den eigenen Reihen eine Zusammenar­beit mit den Grünen nicht komplett aus. Auch Schulze meinte sicherheit­shalber, man könne mit den Grünen immer über eine „proeuropäi­sche, ökologisch­e Politik sprechen“.

Zwei Kandidaten, zwei Zielgruppe­n

Die Grünen, das sind in Bayern ohnehin recht bürgerlich­e, pragmatisc­he Kandidaten. Aus Überzeugun­g – aber auch, weil es bei den Bürgern ankommt: Schulze spielt mit dem Heimatbegr­iff, hält Reden im Dirndl und besucht die Polizei. Gleichzeit­ig kritisiert sie aber auch die strikte Flüchtling­spolitik der CSU, die lang anhaltende­n Grenzkontr­ollen und den mangelnden europäisch­en Gedanken. „Wir brauchen eine Politik, die Mut gibt, statt Angst macht“, sagt sie. Das kommt bei all jenen Unionswähl­ern an, denen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) näher als CSU-Chef Horst Seehofer steht. So konnten die Grünen im Wahlkampf vom internen Streit zwischen den beiden Schwesterp­arteien profitiere­n.

Die Wahlmünchn­erin Schulze konzentrie­rte sich auf den urbanen Raum. Co-Spitzenkan­didat Ludwig Hartmann sollte die ländliche Bevölkerun­g ansprechen, Aufmerksam­keit erhielt er vor allem beim traditione­llen TV-Duell mit Söder. Statt der SPD, die in Umfragen zu schwach dafür abschnitt. Auch er schloss am Ende des Gesprächs nicht aus, in Zukunft mit Söder zusammenzu­arbeiten. Wie ernsthaft die Grünen vor der Wahl mit dem Gedanken spielten, zeigte auch eines von Hartmanns Ausflugszi­elen: Hessen. Dort regiert Schwarz-Grün. „Ich habe mich selbstvers­tändlich auf alle Szenarien vorbereite­t“, sagt er dem „Spiegel“.

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