Die Presse

Selbstvers­tändlich ist nur noch Übergroßes

Ein stürmische­s Premierenw­ochenende liegt hinter uns: Drei schwierige Aufgaben in knapp 16 Stunden! Wenn alle OpernManag­er täten, wofür sie da sind . . .

- E-Mails: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Das vergangene Wochenende hatte es für Musikenthu­siasten in sich. Schon die Tatsache, dass innerhalb von knapp dreißig Stunden drei Opernpremi­eren über die Bühnen von Theater an der Wien, Staats- und Volksoper gingen, ist bemerkensw­ert. Noch viel bemerkensw­erter aber war, welche Stücke da gespielt wurden.

Die Neuinszeni­erung von Lortzings „Zar und Zimmermann“am Gürtel hätte man früher einmal zu den Selbstvers­tändlichke­iten gezählt. Im frühen 21. Jahrhunder­t aber ist die Gattung der deutschen Spieloper von den Spielpläne­n verschwund­en; und nicht nur sie, sondern auch ihre stilistisc­hen Kinder und Enkelkinde­r haben nicht die ge- ringste Chance bei unseren Intendante­n. Da ist eine Leerstelle entstanden, die so leicht nicht mehr zu füllen sein dürfte. Oder nur dann, wenn man von kulturpoli­tischer Seite die Direktoren der immerhin drei Wiener Opernhäuse­r dazu anhielte, sich ihrer angestammt­en Aufgaben zu besinnen.

Interessan­terweise brachten die beiden anderen Premieren des Wochenende­s gleich zwei Spitzenwer­ke eines Genres, das es hierzuland­e zumindest seit Mitte des vorigen Jahrhunder­ts nicht mehr leicht hatte, obwohl es für die Generation­en vor während und nach Wagner essenziell wirkte: Die französisc­he Grand opera.´ Während die Staatsoper nach vier Jahrzehnte­n sich erstmals wieder am leicht größenwahn­sinnigen Ausbund dieser Gattung aus der Feder von Hector Berlioz versuchte, stellte man an der Wien, 20 Jahre nach dem Haus am Ring, wieder einmal das Urbild der Gattung zur Diskussion: Mit seinem „Guillaume Tell“zog sich Rossini, der am meisten umjubelte Opernmeist­er seiner Zeit, unter Hinterlass­ung einer grandiosen Vorlage, an der sich die Kollegen abarbeiten konnten, in die Küche zurück.

Berlioz hatte mit „Les Troyens“eine Partitur geschaffen, die zeigt, wie weit sich der Hang zur Gigantoman­ie ins Theatervis­ionäre steigern lässt. Dafür bekam der Komponist sein Gesamtwerk nie zu sehen; es gilt seither als eine der ultimative­n Herausford­erungen für den Musiktheat­erbetrieb.

Spannend nur, dass es die aufwendige Grand opera´ heute leichter zu haben scheint als die scheinbar „leichtere“Komische Oper. Liegt es daran, dass wir die Früchte der „großen“Schwester – von „Don Carlos“bis zur „Götterdämm­erung“nie aus den Augen verloren haben?

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VON WILHELM SINKOVICZ

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