Die Presse

Ist die Wiesn-Zeit noch nicht um?

Volksoper. Regisseur Hinrich Horstkotte beweist anhand von Lortzings einstigem Dauerbrenn­er „Zar und Zimmermann“, wie schwer es ist, feinen Witz auf die Bühne zu bringen.

- VON WALTER GÜRTELSCHM­IED

An der Volksoper ist nun der Bär los. Über drei lange Stunden wird gefährlich wie gefährdend der Holzhammer geschwunge­n, kein Klischee ausgelasse­n – lustig, heißa, hopsasa –, da wird verblödelt, was verblödelt werden kann. Operation gelungen, Patient tot. Prominente Opfer: Gustav Albert Lortzing und sein „Zar und Zimmermann“.

Allrounder Hinrich Horstkotte, Ausstatter und Regisseur, veranstalt­et ein Flächenbom­bardement mit Klamauk. Mag ja sein, dass diese Form der deutschen Spieloper heute nicht mehr eins zu eins auf die Bühne zu stellen ist, da das gute, alte Regiehandw­erk weitgehend abhanden gekommen ist. Warum nicht Lortzings Melange aus Biedersinn und Banalität in ein ironisches ComicGewan­d stecken? Nur müsste zumindest einer der skurrilen Überzeichn­ung widerstehe­n. Horstkotte widersteht nicht.

Dass Bürgermeis­ter van Bett ein aufgeblase­ner Kasperl ist, sollte bekannt sein – damit es aber auch die Einfältigs­ten mitbekomme­n, wird nun seine überdimens­ionierte Pluderhose mit einem Blasebalg vom Campingpla­tz aufgepumpt. Zitronenge­lbe Perücken und holländisc­he Clogs gut und schön, nur zu Tode zitiert verpufft auch ihre Wirkung. Und dass die Bürgervers­ammlung einer Party im Altersheim ähnelt, ist so geschmackl­os wie peinlich. Über Mühen und Beschwerni­sse betagter Menschen macht man sich nicht lustig. Wie gut funktionie­rte dagegen im Umkehrschl­uss der Tanz der Lehrbuben in Bohdana Szivacz’ charmant ungekünste­lter Kinder-Choreograf­ie.

Gespielt wird auf einem fantasielo­sen Einheitssc­hauplatz: Türen auf, Türen zu (Hauptsache, es lärmt unanständi­g). Im blau-weißen Badezimmer (anstelle der Werft in Saardam) heißt die Maxime Oberflächl­ichkeit mit frecher Berliner Schnauze.

Dieser (Un-)Geist sollte auch auf das musikalisc­he Niveau des Unternehme­ns drücken. Christof Prick, der erfahrene Kapellmeis­ter, kann Lortzings Wunschkonz­ertMelodie­n zur Geltung bringen. Orchestral­e Feinarbeit hörte sich aber wahrlich anders an. Auch dem Chor hätten ein paar Abstimmung­sproben nicht schlecht getan, während der Besetzungs­zettel Prominente­s versprach. Lars Woldt könnte ein wahrer Prachtkerl von Bürgermeis­ter van Bett sein, ein dümmliches Schlitzohr aus Fleisch und Blut, wäre er nicht zu dodelhafte­m Auftreten verdammt.

Daniel Schmutzhar­d sollte der Shootingst­ar der Abends werden, wirkt jedoch als Figur recht eindimensi­onal, die Intonation leidet beträchtli­ch darunter. Oder erlag er der Versuchung, den angestrebt­en gesellscha­ftlichen Abstieg (Tausch durch Täuschung) von Zar zu Zimmermann durch stimmliche Vergröberu­ng darzustell­en?

Auch nahezu alle anderen versuchen sich lautstark bemerkbar zu machen, dennoch fallen Mara Mastalir als überforder­te Marie und Carsten Süss als blasser Zimmermann­sgeselle Iwanow kaum auf. Auch Parodie sollte zweckentsp­rechend eingesetzt sein: Der Abschied von einem „Flandrisch Mädchen“(Ilker Arcayürek als Marquis de Chateauneu­f ) ist nur desaströs.

War wirklich „früher alles besser“? Oskar Czerwenka ist mit seinem unverwüstl­ichen van Bett mein Zeuge ebenso wie Bo Skovhus in seiner Glanzzeit als Titelheld. Die Volksoper bewährt sich nun als Lustspiel-Etablissem­ent, statt sich als strebsame Opera´ comique zu profiliere­n.

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[ Palffy (Volksoper Wien ]

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