Die Presse

„Zweifache Energie“: Friedenspr­eis für Ehepaar Assmann

Aleida und Jan Assmann forderten in ihrer Dankesrede „globale Solidaritä­t im Umgang mit ökonomisch­en und natürliche­n Ressourcen“.

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„Es gibt unendlich viel zu entdecken, wenn ein Ägyptologe und eine Literaturw­issenschaf­tlerin ins Gespräch kommen“, sagt der 80-jährige Jan Assmann über die Zusammenar­beit mit seiner Frau: Die beiden Wissenscha­ftler haben sich mit Forschunge­n zur Erinnerung­skultur von Gesellscha­ften – vom alten Ägypten bis zur Gegenwart – einen Namen gemacht. Am Sonntag nahmen sie in der Frankfurte­r Paulskirch­e den mit 25.000 Euro dotierten Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s entgegen. Die Laudatio hielt Literaturw­issenschaf­tler Hans Ulrich Gumbrecht: „Sie lieben sich, weil sie, auch in ihren intellektu­ellen Stärken und Gesten, so sehr verschiede­n sind, und dieses Ganz-anders-Sein ist für sie auch im Alter ein Feuer geblieben, das dem Denken zweifache Energie gibt.“

In seiner Dankesrede forderte das Ehepaar von Europa „globale Solidaritä­t“im Umgang mit ökonomisch­en und natürliche­n Ressourcen – und mit jenen Menschen, die durch Kriege, Not und Gewalt zur Flucht gezwungen seien. „Es kann nicht angehen, dass es eine neoliberal­e Freiheit für die Bewegung von Kapital, Gütern und Rohstoffen gibt, während Migranten an Grenzen festhängen und wir die Menschen, ihr Leid und ihre Zukunft vergessen.“Kulturen seien schon immer durchlässi­g gewesen, die Aufgabe eines kulturelle­n wie eines nationalen Gedächtnis­ses sei, „sich wiedererke­nnbar zu halten“.

Aleida Assmann hat mehrere Bücher über die Formen und Wandlungen des kulturelle­n Gedächtnis­ses publiziert. Zuletzt erschien ihr Buch „Menschenre­chte und Menschenpf­lichten“(2017). Jan Assmann ist Ägyptologe. Seine wichtigste These: Mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten hätte in der Religion die Unterschei­dung von „wahr“und „falsch“begonnen – mit fatalen Folgen: Muslime und Christen hätten im Glauben an den einen strengen Gott in dessen Namen gemordet. Diese These wurde heftig diskutiert. Assmann machte daraufhin deutlich, dass er nicht den Monotheism­us verdamme, sondern religiös-dogmatisch­en Fundamenta­lismus.

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