Ein Thriller fast ohne Geheimnis
Film. Am Anfang ist man fasziniert, dann enttäuscht: In „Bad Times at the El Royale“ist jeder ein anderer, als er vorgibt zu sein. Aber sehr viel mehr ist nicht dahinter.
Wenn in Filmen ein Geheimnis aufgedeckt wird, ist man manchmal überrascht von der Banalität des Offenbarten. In „Bad Times at the El Royale“wimmelt es von Geheimnissen: Nichts ist, wie es scheint. Jeder ist ein anderer, als er vorgibt zu sein. Aber immer, wenn der Vorhang gelüftet wird, ist man enttäuscht. Anders als in den audiovisuellen Traumgebilden von David Lynch, bei denen jedes Geheimnis noch weitere Geheimnisse birgt und man nach jeder Erkenntnis in zahllose weitere, noch tiefere Abgründe steigt, ist in dem Mystery-Thriller- und Black-ComedyHybrid von Drew Goddard alles ernüchternd simpel – gespalten, aber nicht zersplittert, labyrinthisch, aber mit einem Ausgang versehen. Die Spiegel verbergen tatsächlich geheime Gänge – und die Figuren fühlen und glauben sich nicht nur von fremden Mächten beobachtet und abgehört, sondern werden es wirklich und nachweislich.
Dadurch ist natürlich alle Paranoia, die immer das Ergebnis einer in der Schwebe gehaltenen Ungewissheit darüber ist, ob man zu Recht oder Unrecht verrückt geworden ist, verpufft. Auf gelungene Weise seltsam, absurd und surreal ist der Film den- noch – aber eben immer nur so lang, wie der durch seine Meta-Horrorfilm-Parodie „The Cabin in the Woods“berühmt gewordene Goddard, der auch das Drehbuch verfasst hat, damit beschäftigt bleibt, Atmosphäre aufzubauen. Doch verlässlich opfert er sie dann wieder und immer wieder einem billigen Plot-Twist.
Aber das stellt man erst später fest – am Anfang ist man noch fasziniert. Man ahnt, dass da irgendetwas nicht stimmt mit dieser Personengruppe aus zerstreutem Priester, spießigem Staubsaugervertreter, introvertierter Soulsängerin und Hippie-Frau, die 1969 in einem Hotel aufeinandertreffen, durch das die Staatsgrenze zwischen Kalifornien und Nevada in Form einer farbigen Trennlinie verläuft. Auf der einen Seite darf Glücksspiel betrieben werden. Auf der anderen nicht. Genauso wie die Gesetze variieren auch die Preise. Alles ist mit Deko-Glumpert vollgestellt. Ein sonderbarer Ort. Genauso schizoid wie die Psyche der Antihelden. Unüberschaubar groß, verwinkelt und vielräumig zudem. Umso erstaunlicher, dass die Ankömmlinge die einzigen Gäste sind und sich das Personal auf einen verstört dreinschauenden jungen Mann (sehr überzeugend: Le- wis Pullman) reduziert, der dem Geistlichen rät, lieber kehrtzumachen.
Etwas über den Handlungsverlauf zu verraten, wäre problematisch, weil dieser ganz auf die (angebliche) Kraft (vermeintlich) unvorhersehbarer Wendepunkte setzt. Nur so viel: Es gibt eine mit gestohlenem Geld gefüllte Tasche, für die sich offenbar auch Gangster interessieren. Eine Entführung, die keine ist. Einen arroganten Kultanführer a` la Charles Manson. Eine Konspiration, die in Verbindung mit der Nixon-Administration zu stehen scheint. Eine relevante Figur (gewohnt lakonisch: Jeff Bridges), die unter Amnesie leidet. Eine andere, deren Erinnerungs-Flashbacks ins Vietnam-KriegsTrauma zurückreichen. Einen mit Höllenvorstellungen durchsetzten Showdown. Und abgesehen davon eine Übermenge an Bezugnahmen zum klassischen (Hitchcock) und postmodernen (Tarantino, die CoenBrüder) amerikanischen Kino.
Aber das Genre-Potpourri will viel zu viel, möchte Zitatekino, Film noir, Pulp-Movie, Verschwörungsthriller, eine Reise ins Unbewusste der amerikanischen Geschichte, will metaphysisch, existenzialistisch und religiös, aber zur gleichen Zeit komisch, ironisch und cool sein. Und ist dann letztlich nichts davon.