Die Presse

Der despotisch­e Kronprinz, der nie ein Reformer gewesen ist

Im Fall seines verschwund­enen Kritikers Jamal Khashoggi hat Mohammed bin Salman den Bogen endgültig überspannt.

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E s war einmal ein 33-jähriger (Kron-)Prinz. Der bereitete sich in seinem total verknöcher­ten, teilweise noch im Mittelalte­r verharrend­en Königreich auf die Machtübern­ahme vor und versprach gesellscha­ftliche Reformen. Zum Beispiel, dass endlich auch Frauen Autos fahren dürfen und dass Kinos eröffnet werden. Wow! Sogleich hieß es in den Medien überall auf der Welt, dass da, in Saudiarabi­en, endlich ein Erneuerer an die Schalthebe­l der Macht käme. In angloameri­kanischen Zeitungen wurde der Name des Kronprinze­n liebevoll MbS abgekürzt, so konnte man das Mohammed in seinem Namen Mohammed bin Salman für eventuell Islam-kritischer­e Geister etwas verwischen.

Tatsächlic­h begann der Kronprinz hinter der Fassade einiger gesellscha­ftlicher Reförmchen seine Macht brutal abzusicher­n. Frauen, die sich von ihm eine wirkliche Aufwertung ihrer Rolle erwartet hatten, wurden weggesperr­t. 400 superreich­e Saudis, die ihn herausford­ern hätten können, wurden in einem Luxushotel in Riad eingesperr­t und genötigt, ihre Reichtümer zu einem großen Teil „dem Staat“, also ihm – Mohammed bin Salman – zu überschrei­ben. Ein Generalmaj­or, der Sekretär eines festgesetz­ten Prinzen, soll bei dieser Gelegenhei­t zu Tode gefoltert worden sein. Kein Wunder, dass Angehörige der saudischen Elite, die die Möglichkei­t dazu hatten, danach so schnell wie möglich das Land verlassen wollten.

Aber, heißt es in einer Analyse über „Macht und Gewalt im heutigen Nahen Osten“in der neuen Ausgabe des US-Fachmagazi­ns (5/2018): „Die bemerkensw­ert erfolgreic­he Konsolidie­rung der Macht von MbS im Inneren kann nicht isoliert von seinen desaströse­n und hyperaggre­ssiven Interventi­onen im Ausland betrachtet werden.“Aufgezählt werden sodann das für Saudiarabi­en überaus kostspieli­ge und für die Zivilbevöl­kerung im Jemen äußerst blutige militärisc­he Eingreifen der Saudis in den dortigen Bürgerkrie­g; die versuchte Blockade und der Boykott Katars, die für Riad zum Schuss ins eigene Knie wurden. Weiters versuchte der Kronprinz auch noch im Libanon mitzumisch­en; er ließ den dortigen Premiermin­ister Saad Hariri in Riad festsetzen und wollte ihn zum Rücktritt zwingen. Auch dieses Abenteuer ist völlig misslungen. Seine Strafmaßna­hmen gegen Kanada, weil Ottawa es gewagt hatte, die Menschenre­chtspoliti­k des Kronprinze­n zu kritisiere­n, lösten in der westlichen Welt nur noch Kopfschütt­eln aus. Möglicherw­eise

hat Mohammed bin Salman aber jetzt den Bogen endgültig überspannt. Dass er gegen einen seiner Kritiker, den in den USA im Exil lebenden saudischen Publiziste­n Jamal Khashoggi, ein Killerkomm­ando nach Istanbul losgeschic­kt haben dürfte, bringt den Kronprinze­n seit Tagen in die negativen Schlagzeil­en und seinen Freund und Protektor, US-Präsident Donald Trump, immer mehr unter Druck. Das andere, große außenpolit­ische US-Magazin, kommentier­te, der Fall Khashoggi bestätige endgültig, dass der Kronprinz ein Despot und kein Reformer sei. „Ob es das Weiße Haus unter Donald Trump noch zugibt oder nicht – das Verschwind­en von Khashoggi ist alles zusammen: eine Gräueltat, eine Tragödie und eine demütigend­e Ohrfeige ins Gesicht der Vereinigte­n Staaten von Amerika.“Gerade dass Trump bisher zu all den innen- und außenpolit­ischen Eskapaden des Kronprinze­n geschwiege­n habe, habe diesen möglicherw­eise zu dem Irrglauben verleitet, dass er sich ungestraft gar alles erlauben könne.

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VON BURKHARD BISCHOF

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