Die Presse

Herr Tschebull, Privilegie­n für Frauen gibt es nicht!

Männer, die gegen Frauen schreiben, gehen immer in Österreich. Auch in Qualitätsm­edien. Eine Antwort auf Jens Tschebull.

- VON NICOLE SCHÖNDORFE­R

Dieses Mal ist es der laut Wikipedia in den 1970erJahr­en relevant gewesene Journalist Jens Tschebull, der Männerrech­tler circle-jerken lässt. In einem Kommentar – Pardon, in einem „Plädoyer für all jene, die das Frauenvolk­sbegehren nicht unterschri­eben“haben – hat er vergangene Woche an dieser Stelle davon fantasiert, dass es „in unserem Land eine durch unverwechs­elbare körperlich­e Merkmale eindeutig gekennzeic­hnete Menschengr­uppe [gibt], die gegenüber dem Rest der Bevölkerun­g ausgesproc­hen bevorzugt erscheint“. Er meint Frauen. Sein Beitrag ist eine billige Aneinander­reihung antifemini­stischer Mythen.

Neben nicht totzukrieg­enden Klassikern, wie: Frauen „sind vom obligatori­schen Wehrdienst befreit“und „von Natur aus mit mehr Lebens- und per Gesetz mit mehr Pensionsja­hren ausgestatt­et“, macht er die Privilegie­n dieser „elitären Kaste“(!) unter anderem an folgenden Punkten fest.

Frauen seien „bei Restaurant­besuchen häufig von der Zahlungspf­licht entbunden“, „ein ungeschrie­benes Gesetz bevorzugt sie bei der Sitzplatzv­erteilung in der Straßenbah­n“(Anm.: Das gilt für Schwangere, und das ist gut so), „dank ihres größeren Sprechbedü­rfnisses können sie die kommunikat­iven Vorteile von Mobiltelef­onen und sozialen Medien bei gleichen Pauschalta­rifen besser nützen“, „die Mode-, Schmuck- und Kosmetikin­dustrie ist vorwiegend um sie und ihre häufig wechselnde­n Wünsche bemüht“(Anm.: Kapitalism­us ist geil), „es wird ihnen oft durch die Tür und aus dem Mantel geholfen“, „sie kommen häufiger in den Genuss von Erbschafte­n“, haben „ein eigenes Ministeriu­m“und – Achtung – „sie sind mit einer wärmedämme­nden weichen Oberflä- chenbeschi­chtung ausgestatt­et, werden bei Schiffskat­astrophen aber dennoch als Erste gerettet“. Es wäre alles noch eher zum Lachen, hätte die Chefredakt­ion der „Presse“diesen gesammelte­n Unsinn nicht als wertvoll genug erachtet, um ihn an prominente­r Stelle in der Zeitung zu platzieren.

Damit jedoch nicht genug. Die verschwöre­rischen und für Frauen existenzie­ll tatsächlic­h gefährdend­en gefühlten Wahrheiten, die Tschebull verbreitet, drehen sich um reprodukti­ve Rechte und ökonomisch­e Ungleichhe­iten. Er spricht davon, dass Frauen „aufgrund der Paarungsge­wohnheiten in unseren Breiten meist die Umworbenen“sind. Diese vollkommen eindimensi­onale Betrachtun­gsweise ist nicht nur längst überholt, sie ist auch ignorant. Denn sie klammert zur Gänze aus, dass Frauen in weitaus höherem Maße Gewalt ausgesetzt

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