Wenn Ökonomen politisch werden
Beeinflusst die Türkenbelagerung wirklich das aktuelle Wahlverhalten?
Erstaunlich, womit sich Ökonomen so befassen, wenn der Tag lang ist. Die Onlineausgabe des „Spiegel“hat beispielsweise neulich eine eineinhalb Jahre alte Studie des Münchener Ifo-Instituts ausgegraben, die für Österreich einen klaren statistischen Zusammenhang zwischen längst vergangenen Türkengräueln und aktuellem Wahlverhalten feststellt.
Konkret: In Bezirken, die während der beiden Türkenbelagerungen verheert worden waren, punktet die FPÖ demnach deutlich besser als anderswo. Allerdings, und das ist der Punkt, erst seit 2005. Das war das Jahr, in dem die FPÖ-Führung vom relativ islamfreundlichen Gaddafi-Freund Jörg Haider auf Heinz-Christian„Daham statt Islam“-Strache überging, der dann auf dem Türkenbelagerungsklavier zu spielen begann.
Fazit der Ifo-Ökonomen: Das Beispiel zeige, dass Biertischpopulisten mit den richtigen Sprüchen perfiderweise selbst ein halbes Jahrtausend nach einem traumatischen Ereignis noch kollektive Ängste triggern und zu ihrem Vorteil missbrauchen können.
Ist das wirklich so? Die Geschichte der Statistik ist ja voll von statistisch nicht widerlegbaren Nonsens-Korrelationen. Der Klassiker: Es gibt in Europa einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Geburtenrate und der Storchenpopulation. Die iPhone-Verkäufe korrelieren mit Stiegenstürzen und die Scheidungsrate in Maine mit dem Margarineverbrauch.
Die Frage ist, ob der Korrelation auch Kausalität zugrunde liegt. Das findet man heraus, indem man die Sache von mehreren Seiten beleuchtet. Dann hätte man beispielsweise gesehen, dass parallel mit Strache auch der aufstrebende Erdogan˘ dieses Instrument entdeckte, als er etwa 2014 seinen Wiener Landsleuten „Ihr seid die Enkel von Kara Mustafa“zurief. Dass der behauptete Zusammenhang also zumindest mehrere Ursachen hat.
Das haben die Ökonomen aber unterlassen. Hat wohl nicht in das Bild vom Rattenfängern auf den Leim gehenden Dumpf-Ösi gepasst. Schade, aber so funktioniert „Wirtschaftsforschung“heute leider manchmal.