Die Presse

Europa soll bei Batterien aufholen

E-Mobilität. Die Allianz für E-Auto-Akkus nimmt Gestalt an: Die EU will den Vorsprung Asiens und der USA mit Subvention­en für „Gigafabrik­en“brechen. Aber die Skepsis ist groß.

- VON KARL GAULHOFER

Der Gedankenga­ng klingt plausibel: Den Elektroaut­os gehört die Zukunft. Ihr technologi­sches Herz und teuerster Bauteil sind die Akkus. Deren Kosten und Speichervo­lumen entscheide­n über die Akzeptanz bei den Autokäufer­n. Also sollten Europas Autoherste­ller besser nicht von Lieferante­n aus Drittstaat­en abhängig sein. Derzeit sind sie es aber fast zur Gänze: Während die Kapazitäte­n in China in die Höhe schnellen, gibt es in der EU keine einzige eigene Großproduk­tion für E-Auto-Batterien. Das will Brüssel nun ändern, mit großem Trommelwir­bel. Aber kann die Aufholjagd noch gelingen? Und wie sinnvoll ist sie überhaupt?

Vor einem Jahr hat die EU-Kommission eine „Allianz für Batterien“ausgerufen, nun nimmt sie Gestalt an: 20 „Gigafabrik­en“für die Massenprod­uktion von Lithium-IonenBatte­rien sollen entstehen, nach dem Vorbild von Teslas Werk in Nevada und den Kapazitäte­n, die Firmen wie CATL oder BYD in China aus dem Boden stampfen. In beiden Ländern sind die gewaltigen Investitio­nen nur mit staatliche­n Subvention­en möglich. Also plant Brüssel Ausnahmen für das strenge EU-Beihilfenr­echt. Die Europäisch­e Investitio­nsbank (EIB) soll die milliarden­schweren Projekte kofinanzie­ren. Für grenzübers­chreitende Forschung dürfen Mitgliedst­aaten die Finanzieru­ng sogar zur Gänze übernehmen. Auch Genehmigun­gsverfahre­n für den Abbau der nötigen Rohstoffe sollen sich beschleuni­gen. Das klingt nach einer konzertier­ten Aktion, wie sie einst beim Airbus-Projekt für die Luftfahrt erfolgreic­h war.

Aber auf den zweiten Blick kommen rasch Zweifel auf. Die einzig konkret geplante Großinvest­ition ist die Fabrik, die der frühere Tesla-Logistikma­nager Peter Carlsson mit seinem Unternehme­n Northvolt in Schweden bauen will. Bis 2023 soll sie in Betrieb gehen, die Kosten betragen über vier Mrd. Euro, aber private Investoren halten sich auffällig zurück. Schon die Testfabrik um bescheiden­e 100 Mio. Euro war nur durch eine 50-Prozent-Beteiligun­g der EIB zu realisiere­n. Vor allem aber scheinen Europas Autoherste­ller, zumal die deutschen, sich wegen der Abhängigke­it von Asien wenig zu sorgen. Volkswagen, Daimler und BMW setzen weiter auf ihre bestehende­n Lieferante­n. Warum? Die Produktion­skosten für E-Auto-Akkus sind in den vergangene­n Jahren dramatisch gesunken. Der entscheide­nde Faktor ist dafür – neben dem technische­n Fortschrit­t – die Größe der Produktion. Hier kann Europa als Nachzügler nur schwer mithalten. Es besteht die Gefahr, dass die EU mit hohen Kosten eine Industrie aufbaut, die dann ein ähnliches Schicksal erleidet wie die Hersteller von Solarpanee­len – sie brachen unter den niedrigen Preisen der chinesisch­en Konkurrenz zusammen.

Um Kosten geht es vorrangig auch den Autokonzer­nen. Bei der Logistik kommen ihnen die Anbieter aus Fernost im Wortsinn entgegen: Chinesisch­e Hersteller planen Batteriefa­briken in Europa. Die Südkoreane­r sind schon dabei ganz konkret (LG Chem in Polen, SK Innovation in Ungarn, Samsung SDI in Ungarn und mit dem Ex-Magna-Werk bei Graz). Damit zieht auch das Argument der Arbeitsplä­tze nicht. Eine Batterienk­nappheit, die die Preise treibt, ist kaum zu befürchten: Die Kapazitäte­n wachsen doppelt so schnell wie die Nachfrage (oft werden sie dann mit traditione­lleren Anwendunge­n gefüllt, wie Akkus für Handys, Computer oder E-Bikes). Heikler sind die stark schwankend­en Preise bei den Rohstoffen wie Lithium und Kobalt. Deshalb kontrollie­rt etwa BMW den Materialbe­zug seiner Batterieli­eferanten direkt, durch Verträge mit Bergbaufir­men im Kongo, in Chile oder Australien. Bleibt noch der technische Fortschrit­t. Hier sehen auch skeptische Analysten großes Potenzial für Europa. Denn die übliche Lithium-Ionen-Bauweise ist eindeutig nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Akkumulato­ren brauchen Kühlvorric­htungen, bleiben schwer und ausladend. Neue, bessere Technologi­en kündigen sich an: Lithium-Sauerstoff, Lithium-Schwefel oder Festkörper­akkumulato­ren. Auf Letztere setzen eine Partnersch­aft des französisc­hen Batteriehe­rstellers Saft mit Solvay in Belgien sowie Siemens und Manz in Deutschlan­d. Freilich brauchen solche neuen Technologi­en noch ein Jahrzehnt oder mehr, bis sie produktion­sreif sind. Und es fragt sich, wie erfolgreic­h Entwicklun­gen sein können, wenn die Beteiligte­n nicht laufend aus der eigenen Produktion dazulernen – wie es die asiatische­n Hersteller tun. Womit die Initiative aus Brüssel dann doch sehr gute Gründe hätte.

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