Die Presse

Insolvenz einer US-Ikone

Noch vor wenigen Jahren war Sears einer der größten Arbeitgebe­r der USA. Doch das Ende war abzusehen, nur besonders Mutige hielten den Einzelhänd­ler noch in ihrem Portfolio.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Anfang 2016 begab sich „The Street“auf die Suche nach der „schlechtes­ten Aktie der Welt“. Der Finanzdien­stleister wurde schnell fündig: Sears, dessen Papier damals bei 18 Dollar notierte. Zweieinhal­b Jahre später hat der Einzelhänd­ler Insolvenz angemeldet. Die Aktie ist praktisch wertlos. In gewisser Weise geht auch eine Epoche in der US-Wirtschaft­sgeschicht­e zu Ende.

In Europa mag Sears nicht allzu bekannt sein, doch in den USA war das Unternehme­n über Generation­en hinweg eine Institutio­n, einst womöglich gar der wichtigste Betrieb der weltgrößte­n Volkswirts­chaft. Viele nennen den Konzern das Amazon des 20. Jahrhunder­ts, und das hat seinen guten Grund. Vor 125 Jahren hatte Richard Sears damit begonnen, Uhren zu verkaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verkaufte Sears schließlic­h so gut wie alles, der Umsatz belief sich auf ein Prozent der Wirtschaft­sleistung der USA – genauso wie das heute bei Amazon der Fall ist.

Noch 2010 beschäftig­te Sears mehr als 300.000 Mitarbeite­r, heute sind es rund 70.000. Die Zahl der Geschäfte ist zuletzt auf 700 geschrumpf­t, zumindest 150 davon werden sofort geschlosse­n. Im- merhin: Die Chancen, dass die Marke erhalten bleibt, stehen nicht schlecht. Circa 300 Läden könnten nach der Reorganisa­tion weiterhin bestehen bleiben. Aktuell laufen die Verhandlun­gen mit den größten Gläubigern. Unter ihnen finden sich auch die Finanzgiga­nten Bank of America und Citigroup.

Viele wollen indes bereits den Schuldigen für die Insolvenz ausgemacht haben: Edward Lampert, ein Investor, dessen Hedgefonds einst in großem Stil in Sears investiert und die Firma damit auch jahrelang noch über Wasser gehalten hat. Lampert selbst hat sich 2005 zum Geschäftsf­ührer ernannt, was wiederum einer der Hauptgründ­e war, warum „The Street“dem Einzelhänd­ler die Medaille für die schlechtes­te Aktie umhängte: „Der CEO hat keine Verbindung zu dem Geschäft.“

Ein paar Fakten zeigen schnell, dass sich das Ende schon lang abzeichnet­e. Den letzten Gewinn schrieb Sears im Jahr 2011. Bereits im Oktober des Vorjahres weigerte sich beispielsw­eise Levi Strauss, Sears noch Jeans zu liefern. Zu groß war die Angst, kein Geld für die ausgehändi­gte Ware zu bekommen. Andere wiederum, etwa die Elektrokon­zerne LG und Samsung, belieferte­n Sears nur noch gegen Vorauskass­e. Die nun in New York eingereich­ten Insolvenzp­apiere zeigen Vermögensw­erte von 6,9 Milliarden Dollar, der Schuldenst­and beläuft sich auf 11,3 Milliarden Dollar.

Jetzt liegt das Schicksal von Sears in den Händen der Insolvenzr­ichter sowie einer eigens beauftragt­en Kanzlei für die Restruktur­ierung. Viel deutet darauf hin, dass eine Lösung gefunden wird und zumindest ein Teil der Arbeitsplä­tze erhalten werden kann. Möglich ist das unter den Bedingunge­n des US-Bankrotts nach Chapter 11. Auch Lamperts Hedgefonds ELS Investment­s wird bei der Neuaufstel­lung eine Rolle spielen. Als Geschäftsf­ührer ist Lampert im Zuge des Bankrotts zurückgetr­eten.

Für Investoren sehen manche Analysten mit der Insolvenz von Sears eine Chance bei anderen Einzelhänd­lern. Hauptkonku­rrenten wie Best Buy, Home Depot oder Walmart haben im Zuge des generellen Börsenabst­urzes von vergangene­r Woche zwar an Wert verloren. Im Jahresverg­leich liegen sie aber allesamt deutlich im Plus. Das zuletzt gesehene Minus könnte sich als Gelegenhei­t zum Einstieg erweisen. Einzelhänd­ler zahlen im Normalfall eine verhältnis­mäßig hohe Dividende.

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