Merk’s Kurz, merk’s Ludwig: Lehren aus der Bayern-Wahl
Mitteparteien sollten mit Versuchen des „Rechtsüberholens“aufhören.
Armin Laschet, CDU-Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes, zog einen bemerkenswerten Schluss aus den Verlusten seiner bayrischen „Schwesterpartei“CSU: Man müsse aufhören, die Union nach rechts rücken zu wollen, um der AfD das Wasser abzugraben, sie könne nur in der Mitte gewinnen. „Unser eigentlicher Wettbewerber sind die Grünen.“Tatsächlich liegt die neue Nummer zwei der Bayern, Nummer eins in München, in jeder Stadt über 100.000 Einwohner vorn, vor allem bei jüngeren und gut ausgebildeten Wählern.
„Die liberalen und christlichen Wähler, um die müssen wir uns kümmern, das Gerede vom Rechtsruck muss jetzt aufhören“, sagte Laschet. Bei der Landtagswahl sei mit der Konzentration auf die Migrationsfrage (Seehofer: „Die Mutter aller Probleme“) auf ein falsches Thema gesetzt worden. Die AfD habe zwar zehn Prozent erhalten (und damit weniger als in Prognosen), ihr Potenzial werde aber weiter mit der Zahl der Migranten schwinden.
Außerdem sei man in Bayern mit Angela Merkel schlecht umgegangen: „Selbst bei der Schlusskundgebung hat man ja lieber Österreichs Kanzler Kurz eingeladen als die Bundeskanzlerin.“
Der so Angesprochene wird auch seine Schlüsse aus dem Wahlergebnis ziehen. Leise Signale hat er schon ausgesandt: Im christdemokratischen EU-Rahmen eine Warnung an Viktor Orbans´ Partei; ein Bekenntnis zum liberalen Rechtsstaat; ein – ganz, ganz – vorsichtiger Tadel für das autoritäre Medienverständnis von Herbert Kickl.
Vor allem auch das Festhalten am EU-Spitzenkandidaten Othmar Karas: Sebastian Kurz hat offenbar verstanden, dass im Mai nur mit diesem liberalen Proeuropäer der Platz eins für die (dann wohl wieder „schwarze“) ÖVP zu halten sein wird. Freilich, das bietet auch eine Hintertür für den Koalitionspartner. Rabauke Harald Vilimsky, Architekt eines Bundes mit Marine Le Pen und Matteo Salvini, hat so ein Monopol auf Anti-EU-Stimmen.
Die Agitation dafür hat eben einen neuen Tiefpunkt erreicht: Auf einem Poster der FPÖ für die geplante Nichtauszahlung der Familienbeihilfen an Ausländer freuen sich zwei verschleierte Frauen über überwiesene Euro-Hunderter – obwohl die Streichungen zu mehr als 90 Prozent Osteuropäer betreffen würden.
So wie die CSU hat auch die Kurz-ÖVP derzeit mehr den Unmut vieler christdemokratischer und liberaler Wähler (artikuliert etwa im Widerspruch von Christian Konrad, Michael Landau und Reinhold Mitterlehner) zu fürchten als jenen der Opposition.
Auch die wird aus den bayrischen Wahlen lernen müssen: So patschert wie die SPD führt sich derzeit nicht einmal die SPÖ auf – sie besitzt nun in ihrer neuen Obfrau eine gerade in Richtung grünliberaler Bildungsschichten potenziell wirksame Hoffnungsträgerin. Die Neos haben ihren besten Mann an die Rapperszene verloren – wenn auch seine Nachfolgerin durchaus beachtliche Figur macht. Und die Grünen erholen sich zwar in Umfragen, sitzen aber nicht im Nationalrat – wenn sie vernünftig wären, würden sie sich mit ihrem dort hockenden Brutus versöhnen.
Die derzeit wichtigste Lehre hätte aber die Wiener SPÖ zu ziehen: Kein parteiinterner Streit a` la CSU/CSU. Und nicht obwohl, sondern weil der Konkurrent FPÖ breiter, vor allem schon viel länger aufgestellt ist als die AfD: Keine Versuche des „Rechtsüberholens“in der auch in Österreich erfreulicherweise langsam an Brisanz verlierenden Migrationsfrage.