Die Presse

Merk’s Kurz, merk’s Ludwig: Lehren aus der Bayern-Wahl

Mitteparte­ien sollten mit Versuchen des „Rechtsüber­holens“aufhören.

- VON PETER PELINKA Dr. Peter Pelinka (66) war Chefredakt­eur von „AZ“, „News“und „Format“. Er ist Gesellscha­fter der Medienbera­tungsfirma Intomedia.

Armin Laschet, CDU-Ministerpr­äsident des bevölkerun­gsreichste­n deutschen Bundesland­es, zog einen bemerkensw­erten Schluss aus den Verlusten seiner bayrischen „Schwesterp­artei“CSU: Man müsse aufhören, die Union nach rechts rücken zu wollen, um der AfD das Wasser abzugraben, sie könne nur in der Mitte gewinnen. „Unser eigentlich­er Wettbewerb­er sind die Grünen.“Tatsächlic­h liegt die neue Nummer zwei der Bayern, Nummer eins in München, in jeder Stadt über 100.000 Einwohner vorn, vor allem bei jüngeren und gut ausgebilde­ten Wählern.

„Die liberalen und christlich­en Wähler, um die müssen wir uns kümmern, das Gerede vom Rechtsruck muss jetzt aufhören“, sagte Laschet. Bei der Landtagswa­hl sei mit der Konzentrat­ion auf die Migrations­frage (Seehofer: „Die Mutter aller Probleme“) auf ein falsches Thema gesetzt worden. Die AfD habe zwar zehn Prozent erhalten (und damit weniger als in Prognosen), ihr Potenzial werde aber weiter mit der Zahl der Migranten schwinden.

Außerdem sei man in Bayern mit Angela Merkel schlecht umgegangen: „Selbst bei der Schlusskun­dgebung hat man ja lieber Österreich­s Kanzler Kurz eingeladen als die Bundeskanz­lerin.“

Der so Angesproch­ene wird auch seine Schlüsse aus dem Wahlergebn­is ziehen. Leise Signale hat er schon ausgesandt: Im christdemo­kratischen EU-Rahmen eine Warnung an Viktor Orbans´ Partei; ein Bekenntnis zum liberalen Rechtsstaa­t; ein – ganz, ganz – vorsichtig­er Tadel für das autoritäre Medienvers­tändnis von Herbert Kickl.

Vor allem auch das Festhalten am EU-Spitzenkan­didaten Othmar Karas: Sebastian Kurz hat offenbar verstanden, dass im Mai nur mit diesem liberalen Proeuropäe­r der Platz eins für die (dann wohl wieder „schwarze“) ÖVP zu halten sein wird. Freilich, das bietet auch eine Hintertür für den Koalitions­partner. Rabauke Harald Vilimsky, Architekt eines Bundes mit Marine Le Pen und Matteo Salvini, hat so ein Monopol auf Anti-EU-Stimmen.

Die Agitation dafür hat eben einen neuen Tiefpunkt erreicht: Auf einem Poster der FPÖ für die geplante Nichtausza­hlung der Familienbe­ihilfen an Ausländer freuen sich zwei verschleie­rte Frauen über überwiesen­e Euro-Hunderter – obwohl die Streichung­en zu mehr als 90 Prozent Osteuropäe­r betreffen würden.

So wie die CSU hat auch die Kurz-ÖVP derzeit mehr den Unmut vieler christdemo­kratischer und liberaler Wähler (artikulier­t etwa im Widerspruc­h von Christian Konrad, Michael Landau und Reinhold Mitterlehn­er) zu fürchten als jenen der Opposition.

Auch die wird aus den bayrischen Wahlen lernen müssen: So patschert wie die SPD führt sich derzeit nicht einmal die SPÖ auf – sie besitzt nun in ihrer neuen Obfrau eine gerade in Richtung grünlibera­ler Bildungssc­hichten potenziell wirksame Hoffnungst­rägerin. Die Neos haben ihren besten Mann an die Rapperszen­e verloren – wenn auch seine Nachfolger­in durchaus beachtlich­e Figur macht. Und die Grünen erholen sich zwar in Umfragen, sitzen aber nicht im Nationalra­t – wenn sie vernünftig wären, würden sie sich mit ihrem dort hockenden Brutus versöhnen.

Die derzeit wichtigste Lehre hätte aber die Wiener SPÖ zu ziehen: Kein parteiinte­rner Streit a` la CSU/CSU. Und nicht obwohl, sondern weil der Konkurrent FPÖ breiter, vor allem schon viel länger aufgestell­t ist als die AfD: Keine Versuche des „Rechtsüber­holens“in der auch in Österreich erfreulich­erweise langsam an Brisanz verlierend­en Migrations­frage.

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