Die Presse

CSU will zuerst regieren – dann über ihren Chef diskutiere­n

Bayern. Horst Seehofer geht ein hohes Risiko ein: Die Basis seiner CSU soll nun entscheide­n, ob er der Chef bleibt. Die Personalfr­age wird nach einer Koalitions­bildung geklärt.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

München. Falls jemand nach der bayrischen Landtagswa­hl noch einen Beweis dafür gebraucht hatte, dass die Lage der CSU mehr als ernst ist, erhielt am Montagnach­mittag in der Parteizent­rale den Beweis: Horst Seehofer, eigentlich kein Freund von Zurückhalt­ung, verweigert­e eine Antwort. Ob er denn auch weiterhin CSU-Chef bleibe? „Ich sage zu dem Thema jetzt gar nichts“, meinte er. Jetzt konzentrie­re sich die Partei erst einmal auf die Bildung einer Koalition in Bayern. „Haben Sie Geduld“, fügte Seehofer dann noch hinzu. „Je schneller der Markus Söder verhandelt, desto eher kann ich Ihnen eine Antwort geben.“

Zumindest an dieser Stelle musste der Ministerpr­äsident, noch etwas angeschlag­en von der Wahlnacht, grinsen: „Ach so, jetzt liegt es also an mir?“, fragt er. Es war lustig gemeint, aber eigentlich die Wahrheit: Natürlich liegt es an ihm. Und an der CSU, die sich möglicherw­eise auf eine Revolte vorbereite­t. Mehr als fünf Stunden hatten die Christsozi­alen an diesem Tag in der Parteizent­rale getagt. Es seien „ehrliche, offene Gespräche gewesen“, erzählte Seehofer im Anschluss. Konsequenz­en gebe es allerdings noch nicht.

Der CSU-Vorstand habe sich allerdings darauf geeinigt, schnellste­ns Sondierung­sgespräche mit anderen Parteien zu führen. Personalfr­agen wurden zwar auch geklärt: dass Söder den vollen Rückhalt hat, um eine Regierung zu bilden. Oder dass die bisherige Verkehrsmi­nisterin Ilse Aigner Landtagspr­äsidentin werden soll. Die alles entscheide­nde Frage wurde aber vertagt. Und das, obwohl die CSU gerade das zweitschle­chteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahre­n hat.

Doch all die miserablen Prognosen, all die schlechten Umfragewer­te vor der Wahl hatten am Ende für die CSU auch ihr Gutes: Die Erwartunge­n waren so gering, dass sogar die erreichten 37,2 Prozent vom Wahlsonnta­g sie übertreffe­n konnten. Die Christsozi­alen klatschten am Abend erleichter­t, als verkündet wurde: Eine Mehrheit gegen die eigene Partei ist im Landtag nicht möglich. So weit ist es schon gekommen, bei der einst so stolzen CSU.

Dadurch haben Seehofer und Söder etwas Zeit gewonnen. Der Unmut in der CSU ist groß, schwappte aber nicht als Welle der Empörung schon am Wahlabend über. Die Partei, nach dem Verlust der absoluten Mehrheit auf einen Koalitions­partner angewiesen, will ihre Kraft daher zunächst in die Verhandlun­gen stecken. Und erst dann die Obmanndeba­tte und die Machtkämpf­e in den eigenen Reihen eröffnen.

Seehofer hofft jedenfalls darauf, noch weiter im Amt zu bleiben. Dafür sprechen seine auffällig langfristi­gen Pläne, die er gerade schmiedet: Dass er nach der Landtagswa­hl in seiner Funktion als Bundesinne­nminister endlich wieder die Große Koalition in Berlin stabilisie­ren möchte zum Beispiel. Oder auch, dass er die Kampagne für die kommende Europawahl vorbereite­n möchte.

Doch der Parteichef macht auch deutlich, dass er nicht um jeden Preis an der Macht bleiben wird. Damit hatte nicht jeder gerechnet. Das zeigt sich daran, dass Seehofer zwar bei den Sondierung­sgespräche­n in Bayern dabei sein wird. Die Koalitions­verhandlun­gen wird aber Söder ohne seine Unterstütz­ung führen. Außerdem kündigte Seehofer selbst an, nach der Bildung einer Regierung „über alles reden zu müssen – auch über Konsequenz­en“. In welchem Rahmen dies stattfinde­n soll, sollen jetzt die Bezirksvor­stände entscheide­n. Das klingt nach einer Formalität, wird aber für die Zukunft Seehofers entscheide­nd sein. Nur auf einem Parteitag kann der CSU-Obmann abgewählt werden. „Wir werden tun, was sich die Basis wünscht“, sagt Seehofer dazu.

Damit geht er ein hohes Risiko ein. Denn man musste am Wahlabend zwar etwas genauer hinhören, doch einige Rufe nach seinem Rücktritt waren da: Der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber erinnerte daran, dass auch er nach einem miserablen Wahlergebn­is abgetreten ist. 2008, als die Christsozi­alen zum ersten Mal seit fünf Jahrzehnte­n die absolute Mehrheit verloren, habe er die Konsequenz­en gezogen. Und das, obwohl die Partei damals „nur“auf 43,4 Prozent abstürzte. „Das hat zum Erfolg geführt“, sagt Huber.

Peter Ramsauer, ehemaliger Vize-CSUChef, formuliert­e es noch deutlicher: „Eine Führungsde­batte wird sich gar nicht vermeiden lassen“, sagte er den Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d. Er nannte sogar schon einen Namen für Seehofers Nachfolge: Söder. Der Ministerpr­äsident hat also gleich mehrere Interessen, rasch einen Regierungs­partner zu finden. Länger als vier Wochen darf er sich laut Gesetz ohnehin nicht Zeit lassen.

Sondierung­en beginnen morgen

Also sollen schon morgen, Mittwoch, die Sondierung­sgespräche beginnen. Die Freien Wähler haben es sich schon in der Rolle des umworbenen Partners bequem gemacht. Söder hatte bereits am Sonntagabe­nd im Landtag verkündet, dass seine Präferenz „ein stabiles, bürgerlich­es Bündnis“sei. Damit waren nicht die Grünen, sondern die Partei von Hubert Aiwanger gemeint.

Lang wurden die Freien Wähler von den Christsozi­alen als billige Kopie belächelt. Nun erweist es sich als nützlich, dass die kleine Partei in vielen Fragen ähnlicher Meinung wie die CSU ist. „Sie wollen dasselbe wie wir, nur Freibier noch dazu“, pflegte Söder im Wahlkampf zu sagen. Gut, dass es im Landtag am Wahlabend ohnehin schon Gratisgetr­änke gab.

Mir liegt sehr daran, auch Konsequenz­en aus diesem Wahlergebn­is zu ziehen. Horst Seehofer, CSU-Chef

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