Mit Rente allein kein Auslangen
Interview. Burkhard Ernst startete 1959 als Autohändler. Damit hat sein Rainer-Konzern nur noch wenig zu tun. Mit seiner Tochter erzählt er von verpassten und genützten Chancen und erklärt, wieso die Familie heute lieber auf Immobilien setzt.
Autohändler und Konzernchef Burkhard Ernst mit seiner Tochter im Interview.
Die Presse: Ihnen gehören Dutzende Hotels und Immobilien – dennoch kennen die meisten die Firma Rainer nur als Mazda-Autohändler. Stört Sie das? Burkhard Ernst: Nein, wir wacheln nicht wie andere mit Erfolgen. Die Rainer-Gruppe ist in Wien sicher eine der größten privaten Immobilienfirmen. Wir besitzen ungefähr hundert Häuser – wir versichern, wir kaufen und verkaufen, vermieten und entwickeln sie, bauen Liegenschaften und haben große Gründe. Die Autohäuser haben wir bis auf zwei geschlossen. Gabriela Lemberger: Das hat sich ergeben. Das Autogeschäft hat sich so entwickelt, dass man mit dem Verkauf nicht reüssieren kann. Ich brauche eine Werkstätte, Waschanlagen, eine Spenglerei, ein Lager. Autos im Glashäuschen zu verkaufen geht nicht mehr. Aus dem Autohaus der Fünfziger wurde eine Gruppe mit 280 Mitarbeitern. Denken Sie, das könnten Sie heute wiederholen? Ernst: Du hast den Kopf geschüttelt, Gabriela. Ich drücke es in Worten aus: schwierig. Die Jungen sagen alle: „Damals war es ja leicht.“Das stimmt nicht. Die Zinshäuser haben vor fünfzig Jahren in der günstigsten Kategorie in der Vorstadt 300.000 bis 800.000 Euro gekostet. Als ich die ersten gekauft habe, haben die Bankdirektoren gesagt: „So ein Wahnsinniger. Das bringt nur Prozesse, keinen Ertrag.“Heute kostet genau so ein Haus ein bis zwei Millionen Euro. Das Geschäftsleben geht nie wie Butter. Wenn mir einer sagt, es läuft geschmiert, bin ich neugierig, ob er lügt oder nur ein bisschen lügt.
Manche haben Glück. Ernst: Sicher, Glück und Können braucht man. Lemberger: Und man muss fleißig sein. Bei Ihnen arbeiten drei Generationen in einem Unternehmen. Welche ist die fleißigste? Lemberger: Man sagt immer, Erziehung muss man vorleben. Bei mir und meinem Mann war es völlig normal, dass wir auch einmal am Wochenende in der Firma waren und abends Pizza bestellt haben. Als ich das zweite Mal schwanger war, hatte ich eine junge Dame monatelang für die Personalverrechnung angelernt. Am Sonntag hab ich das Kind bekommen. Am Freitag davor hat sie beschlossen, dass sie nicht mehr kommt. Das war zu Monatsende. Also bin ich am Montag aus dem Spital und hab Lohnzettel gemacht. Weil man als Selbstständiger nicht sagen kann: „Heute hab ich keine Lust.“Die persönliche Befindlichkeit muss man hinten anstellen.
Sie haben das auch vorgelebt bekommen? Lemberger: Absolut. Meine Mutter war eine der fleißigsten Frauen, die ich je erlebt habe. Und jetzt bin ich auch schon 40 Jahre im Geschäft. Ich hab gesehen, wie fleißig und durchsetzungsfähig sie war.
Weil Sie von Durchsetzungsfähigkeit sprechen: Wer sagt bei Ihnen: So machen wir das jetzt? Lemberger: Es kommt auf das Projekt an. Es gibt Dinge, bei denen man das Wissen eines anderen anerkennt und sich der Meinung beugt – aber das ist selten (lacht). Ernst: Alles Finanzielle macht meine Tochter. Das ist eine riesige Aufgabe, weil wir viele Gelder vielschichtig bewegen. Wäre es nur das Kfz-Geschäft, wäre es einfach. Aber wir haben 40 Firmen mit geschätzt hundert Liegenschaften.
Und wie haben sich Ihre Aufgaben seit 1959 verändert? Ernst: Die jungen Leute machen lange Berechnungen. Dann kommen sie drauf, dass das Objekt A in der Märzstraße 7.312.483 Euro wert ist. Ich fahre mit dem Auto vorbei, mache das Fenster auf und sage: Sieben bis 7,5 Millionen Euro, das wird passen. Ich arbeite doch schon sechzig Jahre. Die Rainer-Gruppe hat auch viele Mitarbeiter, die Jahrzehnte im Unternehmen sind. Aber die, die frisch kommen, gehen oft schnell wieder. Da könnten wir stundenlang böse Geschichten erzählen. Gutes Personal ist nicht leicht zu finden? Lemberger: Es ist schwieriger geworden. Die Fehler beginnen in meinen Augen in der Schule, wo man dem Kind als Allererstes sagt, was es für Rechte hat. Mit der Grundeinstellung kommt ein Lehrling her. Er kann mir nicht sagen, wie viele Zentimeter ein Meter hat, aber er weiß, dass er nur 38,5 Stunden arbeiten und nicht um Wurstsemmeln gehen muss. Aber es gibt auch die anderen, die begeistert von der Arbeit sind – ganz unabhängig von Geschlecht und Nationalität. Aber noch zu meinem Vater und seinen Aufgaben: Andere sehen ein Zinshaus, er sieht ein Projekt und hat ein Gespür, wo sich in der Stadt etwas entwickeln könnte.
Bei Ihnen gibt nicht die Jugend den Takt vor? Lemberger: Die sind alle sehr engagiert und haben Ideen, die man wirklich gut umsetzen kann. Aber sie erkennen in letzter Konsequenz auch brummend unsere Vorgesetztenfunktion an. Es ist ein gutes Zusammenarbeiten auf Augenhöhe. Ernst: Wir kennen das nur aus der Zeitung, dass sich Familien entzweien und verklagen, weil keiner arbeiten und alle nur verdienen wollen.
Gibt es eine Entscheidung, über die Sie sich im Nachhinein richtig ärgern? Lemberger: Da gibt es die Geschichte von vor sprichwörtlich hundert Jahren, als meinem Vater die Europa-Vertretung für Kelly’s angeboten wurde. Und er hat gesagt: „Kein Mensch wird je Kartoffeln essen, gehen Sie weg.“Ernst: Gelegenheiten wie Kelly’s gab es ein paar Mal im Leben. Da musst du auch den Mut haben. Im Nachhinein klingt es einfach. Hätte man es gewusst, hätte man damals alles darangesetzt.
Schießen Sie privates Geld zu, wenn die Firma rasch Mittel braucht? Lemberger: Ja, dass es rasch gehen muss, ist auf dem Immobilienmarkt heute oft der Fall. Da wird das Haus angeboten und ist am nächsten Tag weg. Wir stecken Geld rein, wollen es aber gern zurückhaben. Das ist keine Einbahn.
Und wofür geben Sie – wirklich rein privat – gern Geld aus? Lemberger: Ich gehe gern Golfspielen. Aber gestern habe ich zusammengerechnet: Ich war heuer neun Mal. Und Golf ist bei Weitem nicht mehr so teuer wie früher. Ernst: Wir haben von Motorradbis Skifahren alles gemacht. Mit wir meine ich die Familie. Ich nicht. Ich habe nur gearbeitet. Aber das macht mir Spaß. Ich hätte lang aufhören können, müssen, sollen – das können Sie einsetzen. Ich nehme mir immer vor, im nächsten Jahr nur dreimal in der Woche zu arbeiten.
Und wie steht es um die finanzielle Altersvorsorge? Lemberger: Jeder von uns hat auf seine Art für die Zukunft vorgesorgt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Kinder noch viel Geld vom Staat bekommen werden. Mit der Pension auf dem Zettel will ich auch nicht dastehen. Da muss man vorsorgen und das haben wir alle getan.
In Aktien? Ernst: Nachdem wir im Immobiliengeschäft sind, haben Aktien nicht viel Bedeutung für uns. Wir sehen Sicherheit und Einkommen im Immobiliensektor. So ein Wohnhaus wird noch in hundert Jahren stehen. Wir haben aber nie die Häuser am Stephansplatz mit Ausblick aufs Meer gesucht, sondern tendenziell Häuser außerhalb des Gürtels. Immer dort, wo wir Wohnungen anbieten können, die sich die Leute leisten können – wo man aber auch nicht wahnsinnige Gewinne einfährt. Wir waren wie beim Auto eher in den unteren Preisklassen zu Hause: Besser ein Mazda, den die Leute gernhaben, als ein Rolls-Royce.