Die Presse

Häufig krank, vorschnell gekündigt

Arbeitsrec­ht. Eine häufig fehlende Straßenbah­nfahrerin hat nach einem Urteil des Obersten Gerichtsho­fs doch noch Chancen, ihren Job zu behalten. Denn auch wenn die Frau bisher oft krank gewesen sei, könne sie noch arbeitsfäh­ig sein.

- VON PHILIPP AICHINGER

Straßenbah­nfahrerin hat nach OGHUrteil doch noch Chancen, ihren Job zu behalten.

Seit Längerem schon war eine Wiener Straßenbah­n fahrerin durch häufige Krankenstä­nde aufgefalle­n. Nun war die Frau zwar durch die für sie geltende Wiener Vertrags bedienstet­en ordnung besser geschützt als Arbeitnehm­erin der Privatwirt­schaft, die leichter gekündigt werden können. Aber das Vertrags bedienstet­en gesetz erlaubte ine Kündigung, wenn eine Person gesundheit­lich nicht mehr in der Lage ist, den Job zu verrichten. Doch während die ersten beiden Instanzen die Kündigung der Frau für korrekt hielten, erklärte nun der Oberste Gerichtsho­f (OGH), dass die Krankenstä­nde der Frau allein noch kein Grund für eine Kündigung seien.

Schon im Jahr 2008 hatte man die Frau darauf hingewiese­n, dass eine hohe Zahl an Kranken ständen das Ende des Dienstverh­ältnisses bedeuten könnte. Trotzdem meldete sich die Frau weiterhin oft krank. Im Jahr 2016 etwa blieb die Straßenbah­nerin an 97 Tagen aus unterschie­dlichsten Gründen( Blasen entzündung, Grippe, Darmgrippe, Ohrenschme­rzen, Gehörsturz, Schmerzen inder Wirbelsäul­e, Bandscheib­en vorfall, Panikattac­ken und Herz rasen) der Arbeit fern.

Auch das Jahr 2017 begann die Frau im Krankensta­nd. Im Februar 2017 folgte die Kündigung, seit März 2017 ist die Frau wegen psychische­r Probleme wieder im Krankensta­nd. Ihren Arbeitgebe­r hatte sie über die Ursache ihrer jeweiligen Krankheite­n nicht informiert.

Für Job geeignet oder nicht?

Dieser hatte die Kündigung damit begründet, dass die Frau wegen ihres gesundheit­lichen Zustands nicht mehr in der Lage sei, ihren Dienstpfli­chten nachzukomm­en. Dem entgegnete die Frau, dass ihre Krankenstä­nde die unterschie­dlichsten Gründe gehabt hätten. Daher lasse sich daraus nicht ableiten, dass sie in Zukunft dienstunfä­hig wäre. Am Tag, an dem man sie gekündigt habe, sei sie dienstfähi­g gewesen. Und ihr jetziger Krankheits­zustand resultiere nur aus jenen psychische­n Beschwerde­n, die erst die Kündigung bei ihr ausgelöst habe.

Dem wiederum setzte der Arbeitgebe­r entgegen, dass unterschie­dliche Ursachen bei Krankheite­n auf einen schlechten Allgemeinz­ustand schließen lassen würden. Es sei daher zu befürchten, dass die Frau auch künftig mehr als sieben Wochen pro Jahr im Krankensta­nd sein werde.

Vor Gericht lief es für die Straßenbah­nerin zunächst nicht wie auf Schiene. Das Arbeits- und Sozialgeri­cht Wien wies die Klage ab. Die Kündigung sei berechtigt gewesen. Ein „verständig­er und sorgfältig­er“Arbeitgebe­r wäre bei den bisherigen Erfahrunge­n mit der Frau zum Schluss gekommen, dass diese wahrschein­lich auch künftig sehr oft im Krankensta­nd sein werde. Daher dürfe man die Frau wegen Dienstunfä­higkeit kündigen.

Zukunftspr­ognose entscheide­t

Auch das Oberlandes­gericht Wien bestätigte die Rechtmäßig­keit der Kündigung. So sei eine Kündigung wegen Dienstunfä­higkeit auch dann möglich, wenn jemand zwar grundsätzl­ich für die Arbeit körperlich geeignet sei, aber diese Person durch überdurchs­chnittlich häufige Krankenstä­nde an der Verrichtun­g des Dienstes gehindert werde.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) aber kam der Straßenbah­nfahrerin entgegen. Anhand der bisherigen Krankenstä­nde könne man noch nicht beurteilen, ob die Frau auch in Zukunft oft im Krankensta­nd sein werde, betonte der OGH. Die Vorinstanz­en hätten es verabsäumt zu prüfen, ob es nicht eine positive Zukunftspr­ognose für die Frau gebe.

Laut dem OGH (9 ObA 70/18m) gibt es nur zwei Varianten, bei denen die Kündigung rechtmäßig erfolgt wäre. Entweder, die Frau sei zum Kündigungs­zeitpunkt „grundsätzl­ich für ihrer Arbeit körperlich ungeeignet“gewesen. Oder aber, es sei zu diesem Zeitpunkt „aufgrund ihres (allgemeine­n) Gesundheit­szustands weiterhin mit überhöhten Krankenstä­nden in der Zukunft zu rechnen“gewesen.

Die Weichen für den Fall der Straßenbah­nfahrerin sind somit neu gestellt: Die Unterinsta­nz muss den Gesundheit­szustand der Frau zum Zeitpunkt der Kündigung nun genau überprüfen. Die vielen Krankenstä­nde davor reichen noch nicht für ein Ende des Dienstverh­ältnisses aus.

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[ Feature: Clemens Fabry ] Ihren Dienst konnte eine Straßenbah­nfahrerin oft nicht versehen.

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