Häufig krank, vorschnell gekündigt
Arbeitsrecht. Eine häufig fehlende Straßenbahnfahrerin hat nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs doch noch Chancen, ihren Job zu behalten. Denn auch wenn die Frau bisher oft krank gewesen sei, könne sie noch arbeitsfähig sein.
Straßenbahnfahrerin hat nach OGHUrteil doch noch Chancen, ihren Job zu behalten.
Seit Längerem schon war eine Wiener Straßenbahn fahrerin durch häufige Krankenstände aufgefallen. Nun war die Frau zwar durch die für sie geltende Wiener Vertrags bediensteten ordnung besser geschützt als Arbeitnehmerin der Privatwirtschaft, die leichter gekündigt werden können. Aber das Vertrags bediensteten gesetz erlaubte ine Kündigung, wenn eine Person gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, den Job zu verrichten. Doch während die ersten beiden Instanzen die Kündigung der Frau für korrekt hielten, erklärte nun der Oberste Gerichtshof (OGH), dass die Krankenstände der Frau allein noch kein Grund für eine Kündigung seien.
Schon im Jahr 2008 hatte man die Frau darauf hingewiesen, dass eine hohe Zahl an Kranken ständen das Ende des Dienstverhältnisses bedeuten könnte. Trotzdem meldete sich die Frau weiterhin oft krank. Im Jahr 2016 etwa blieb die Straßenbahnerin an 97 Tagen aus unterschiedlichsten Gründen( Blasen entzündung, Grippe, Darmgrippe, Ohrenschmerzen, Gehörsturz, Schmerzen inder Wirbelsäule, Bandscheiben vorfall, Panikattacken und Herz rasen) der Arbeit fern.
Auch das Jahr 2017 begann die Frau im Krankenstand. Im Februar 2017 folgte die Kündigung, seit März 2017 ist die Frau wegen psychischer Probleme wieder im Krankenstand. Ihren Arbeitgeber hatte sie über die Ursache ihrer jeweiligen Krankheiten nicht informiert.
Für Job geeignet oder nicht?
Dieser hatte die Kündigung damit begründet, dass die Frau wegen ihres gesundheitlichen Zustands nicht mehr in der Lage sei, ihren Dienstpflichten nachzukommen. Dem entgegnete die Frau, dass ihre Krankenstände die unterschiedlichsten Gründe gehabt hätten. Daher lasse sich daraus nicht ableiten, dass sie in Zukunft dienstunfähig wäre. Am Tag, an dem man sie gekündigt habe, sei sie dienstfähig gewesen. Und ihr jetziger Krankheitszustand resultiere nur aus jenen psychischen Beschwerden, die erst die Kündigung bei ihr ausgelöst habe.
Dem wiederum setzte der Arbeitgeber entgegen, dass unterschiedliche Ursachen bei Krankheiten auf einen schlechten Allgemeinzustand schließen lassen würden. Es sei daher zu befürchten, dass die Frau auch künftig mehr als sieben Wochen pro Jahr im Krankenstand sein werde.
Vor Gericht lief es für die Straßenbahnerin zunächst nicht wie auf Schiene. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien wies die Klage ab. Die Kündigung sei berechtigt gewesen. Ein „verständiger und sorgfältiger“Arbeitgeber wäre bei den bisherigen Erfahrungen mit der Frau zum Schluss gekommen, dass diese wahrscheinlich auch künftig sehr oft im Krankenstand sein werde. Daher dürfe man die Frau wegen Dienstunfähigkeit kündigen.
Zukunftsprognose entscheidet
Auch das Oberlandesgericht Wien bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kündigung. So sei eine Kündigung wegen Dienstunfähigkeit auch dann möglich, wenn jemand zwar grundsätzlich für die Arbeit körperlich geeignet sei, aber diese Person durch überdurchschnittlich häufige Krankenstände an der Verrichtung des Dienstes gehindert werde.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) aber kam der Straßenbahnfahrerin entgegen. Anhand der bisherigen Krankenstände könne man noch nicht beurteilen, ob die Frau auch in Zukunft oft im Krankenstand sein werde, betonte der OGH. Die Vorinstanzen hätten es verabsäumt zu prüfen, ob es nicht eine positive Zukunftsprognose für die Frau gebe.
Laut dem OGH (9 ObA 70/18m) gibt es nur zwei Varianten, bei denen die Kündigung rechtmäßig erfolgt wäre. Entweder, die Frau sei zum Kündigungszeitpunkt „grundsätzlich für ihrer Arbeit körperlich ungeeignet“gewesen. Oder aber, es sei zu diesem Zeitpunkt „aufgrund ihres (allgemeinen) Gesundheitszustands weiterhin mit überhöhten Krankenständen in der Zukunft zu rechnen“gewesen.
Die Weichen für den Fall der Straßenbahnfahrerin sind somit neu gestellt: Die Unterinstanz muss den Gesundheitszustand der Frau zum Zeitpunkt der Kündigung nun genau überprüfen. Die vielen Krankenstände davor reichen noch nicht für ein Ende des Dienstverhältnisses aus.