Die Presse

Kinder zu bekommen bringt weniger Geld und Pensionsei­nbußen

Kinderbetr­euung. Die ÖVP fordert von Sozialpart­nern, dass Karenzen besser angerechne­t werden. Die SPÖ will Gesetze.

- VON ANNA THALHAMMER

Manchmal sind zwar alle einer Meinung, sich dann aber doch nicht einig. Das ist auf politische­r Ebene gerade der Fall, wenn es um die Anrechnung von Karenzund Kinderbetr­euungszeit­en geht.

Wie das gehandhabt wird, ist maßgeblich dafür verantwort­lich, wie viel Urlaubsans­pruch und welche Kündigungs­fristen Eltern haben. Wie ihre Lohnvorrüc­kungen ausfallen und damit in weiterer Folge einmal die Höhe ihrer Pension. Derzeit gibt es große Unterschie­de – und darum sehen eigentlich alle Parteien Handlungsb­edarf.

Die ÖVP hat zuletzt am Rand einer Parlaments­debatte einen für ÖVP-Verhältnis­se eher ungewöhnli­chen Vorschlag gemacht. Klubchef August Wöginger rückte aus, um sich für eine bessere Anrechnung von Karenzzeit­en einzusetze­n. Oder besser gesagt, um die Sozialpart­ner aufzurufen, dies in den Kollektivv­ertragsver­handlungen zu tun.

Die SPÖ, die Arbeiterka­mmer und der Gewerkscha­ftsbund begrüßten die Idee. Prinzipiel­l. Mit dem Weg zum Ziel war man aber nicht einverstan­den. Die Regierung solle den Sozialpart­nern keine Handlungsa­nweisungen geben, sondern selbst handeln. Zum Beispiel die Forderunge­n in Form eines Gesetzes in die Tat umsetzen. Die Verhandlun­gsergebnis­se von rund 800 Kollektivv­erträgen abzuwarten sei überflüssi­g.

Viele Branchen, viele Regeln

Dass man dort eher keine einheitlic­hen Regelungen schaffen wird, ist absehbar. Denn auch in der Vergangenh­eit war die Karenzzeit­enanrechnu­ng Gegenstand von Verhandlun­gen – und die Ergebnisse fielen sehr unterschie­dlich aus. Es gibt Branchen, in denen großzügig angerechne­t wird. Dazu gehören etwa die Elektro- oder die chemische Industrie mit 22 Monaten pro Kind. Bauindustr­ie und -gewerbe rechnen 24 Monate an. Bei Banken und Bankiers gibt es sogar eine volle Anrechnung.

Bei vielen anderen Gewerben gilt allerdings nur die gesetzlich­e Mindestanr­echnung von zehn Monaten. Betroffen sind vor allem jene Branchen, in denen besonders viele Frauen arbeiten. Handwerk und Gewerbe zum Beispiel.

Welchen Unterschie­d die Anrechnung machen kann, zeigt ein Beispiel der Gewerkscha­ft aus dem Handel. Von den rund 400.000 Angestellt­en sind dort fast zwei Drittel Frauen. Im Handel gibt es seit dem 1. Dezember 2017 Möglichkei­ten, Karenzen im Ausmaß von bis zu 22 Monaten pro Kind anrechnen zu lassen, vorher waren es zehn. Karin F. arbeitet seit knapp sechs Jahren in einem Betrieb, verdient 1781 Euro brutto und wird schwanger. Sie geht 18 Monate in Karenz. Weil ihr diese 18 Monate nun angerechne­t werden – und sie deswegen auch im Gehaltssch­ema vorrückt, bekommt sie bei ihrem Wiedereins­tieg 1980 Euro. Ohne die neue Anrechnung im Kollektivv­ertrag würde sie nur 1806 Euro bekommen. Hochgerech­net auf ein Jahr sind das inklusive Sonderzahl­ungen 2436 Euro brutto – viel Geld bei einem so niedrigen Gehalt. Und das wirkt sich auch auf die Höhe der Pension aus.

Wirtschaft nicht begeistert

Bisher scheiterte die höhere Anrechnung bei Verhandlun­gen maßgeblich an der Arbeitgebe­rseite, für die das ein Kostenfakt­or ist. Auch jetzt werden die neuen Vorstöße der Bundesregi­erung nicht unbedingt mit Wohlwollen aufgenomme­n.

Die oberösterr­eichische Wirtschaft­skammerprä­sidentin, Doris Hummer, machte ihrem Ärger in einem Schreiben an Bundeskanz­ler Sebastian Kurz Luft. „Die Wirtschaft wurde völlig unvermitte­lt und geradezu überfallsa­rtig mit der Absicht der Bundesregi­erung konfrontie­rt, Karenzzeit­en bis zu 24 Monate auf alle dienstzeit­abhängigen Ansprüche anrechnen zu wollen. Ein Vorhaben, das die ohnehin hohen Kosten des Faktors Arbeit weiter nach oben treibt und die Arbeitgebe­r massiv belastet.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die Wirtschaft beziehungs­weise die Sozialpart­ner von Türkis-Blau mit Ratschläge­n überrascht wurden. So wurde vor einigen Wochen öffentlich ausgericht­et, dass die Lohnerhöhu­ngen dieses Jahr saftig auszufalle­n haben. Immerhin habe man Hochkonjun­ktur, und das sollte auch bei den Menschen ankommen, so die Argumentat­ion.

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[ APA/DPA/Wolfram Steinberg ] Wer länger in Karenz geht, fällt danach oft um Gehaltserh­öhungen um.

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