Die Presse

Nur vier Tage Begutachtu­ng

Reform. Der Staat bekommt mehr Einfluss auf Firmen, an denen er beteiligt ist. Das Justizmini­sterium kritisiert die kurze Begutachtu­ngsfrist.

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Die Regierung hatte es wieder einmal eilig: Am gestrigen Sonntag endete die Begutachtu­ngsfrist für die Reform der Staatshold­ing – nach nur vier Werktagen. Dafür setzte es Kritik am zuständige­n Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP). Auch aus den eigenen Reihen. Das von Josef Moser geführte Justizmini­sterium weist in seiner Stellungna­hme auf die „äußerst knapp bemessene“Begutachtu­ngsfrist hin. Eine umfassende Begutachtu­ng des Entwurfs sei in dieser Zeit „nicht möglich“. Moser ist parteifrei und wurde mit einem ÖVP-Ticket Minister.

Mit dem Gesetz soll die Öbib, die die Industrieb­eteiligung­en des Bundes verwaltet, zur Österreich­ischen Beteiligun­gs AG (Öbag), umgebaut werden. Aus der bisher zahnlosen Beteiligun­gsgesellsc­haft soll ein Instrument werden, das dem Staat mehr Einfluss auf die Firmen gibt, an denen er beteiligt ist (die „Presse“berichtete). Dazu zählen unter anderem die Post (52,85 Prozent Staatsante­il), die OMV (31,5 Prozent), die Telekom Austria (28,42 Prozent) und die Casinos Austria (33,24 Prozent).

Neu ist, dass die Staatshold­ing künftig auch für die Bundesimmo­biliengese­llschaft (BIG) zuständig sein soll. Auch der Verbund (51 Prozent Staatsante­il) wird in die Öbag „integriert“. Der Energiekon­zern bleibt im Eigentum des Finanzmini­steriums, wird aber von der Holding verwaltet. Ziel der Reform sei, wieder direkt in den Aufsichtsr­äten vertreten zu sein.

Nicht nur der Justizmini­ster stört sich an der kurzen Begutachtu­ngsfrist für das Gesetz. Auch die Arbeiterka­mmer (AK) und der Gewerkscha­ftsbund (ÖGB) haben ihre Probleme damit. Die AK verweist auch darauf, dass die Begutachtu­ng in die Herbstferi­en gefallen ist. Die kurze Frist und die Ferien würden es verunmögli­chen, Experten und relevante Funktionär­e aus den Arbeiterka­mmern der Bundesländ­er einzubinde­n. „Weshalb die Bundesarbe­iterkammer die Vorgangswe­ise aus demokratie­politische­n Gründen aufs Schärfste kritisiert.“Vom ÖGB hieß es, dass ein aktives Beteiligun­gsmanageme­nt „an sich zu begrüßen wäre“. Die rechtliche­n Neuerungen seien aber zu unbestimmt und eindimensi­onal. Der ÖGB lehnt den Entwurf – unter anderem – deshalb ab. Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung begrüßen das Gesetz in ihren Stellungna­hmen. Es würde zu einer Entpolitis­ierung und Profession­alisierung von Entscheidu­ngen bei neuen Beteiligun­gen führen.

Die neue Öbag soll flexibler agieren können als ihre Vorgängero­rganisatio­nen, so der Plan des Finanzmini­sters. Bei Bedarf kann sie Staatsante­ile zukaufen oder abstoßen. Das ist neu. Ohne langwierig­en Regierungs­beschluss konnten weder die Öbib noch ihre Vorgängeri­n ÖIAG zusätzlich­e Aktien ihrer Firmen kaufen. Zu schwerfäll­ig, um bei Bedarf fremde Investoren abzuwehren. Künftig soll auch ein mit internatio­nalen Experten besetztes Beteiligun­gskomitee eingesetzt werden, das über Zu- und Verkäufe der Holding berät.

Das Gesetz war am Nationalfe­iertag am Freitag vor einer Woche in Begutachtu­ng geschickt worden. Im Rahmen der Begutachtu­ng können andere Minister, Landesregi­erungen und Interessen­vertretung­en wie die Kammern ihre Meinung zu geplanten Gesetzen kundtun. Für die Dauer der Begutachtu­ngsfrist gibt es keine fixen Vorgaben, aber Usancen: In der Regel werden sechs Wochen eingeräumt. Beim Arbeitszei­tgesetz ließ die türkis-blaue Bundesregi­erung die Begutachtu­ng komplett entfallen, was ihr heftige Kritik einbrachte. (APA/bin)

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