Die Presse

Platzhirsc­h zu sein ist nicht mehr genug

Studie. Die Wahrschein­lichkeit, dass Branchenfü­hrer noch in fünf Jahren unter den Größten sind, ist gesunken. Das macht auch die Aktienausw­ahl schwierige­r. Eine BCG-Studie versucht, Vitalität und Wachstumsf­ähigkeit von Firmen zu messen.

- MONTAG, 5. NOVEMBER 2018 VON BEATE LAMMER

Dass Größe und hohe Gewinne kein Garant für Erfolg in der Zukunft sind, hat das Beispiel von General Electric gezeigt. Der Aktienkurs des im Sommer aus dem Dow Jones geflogenen Unternehme­ns ist kürzlich auf ein Zehnjahres­tief gefallen; nach einem milliarden­schweren Verlust im dritten Quartal musste der einstige Industrieg­igant auch noch die Dividende kürzen.

Platzhirsc­h zu sein ist längst kein Ticket mehr in eine positive Zukunft. Mitte des vo- rigen Jahrhunder­ts war es das noch: 77 Prozent der Branchenma­rktführer fanden sich auch noch fünf Jahre später unter den Top fünf. Dieser Anteil ist auf 44 Prozent gefallen. Das zeigt eine BCG-Studie („The Global Landscape of Corporate Vitality“).

Manager müssten wissen, dass der Blick in die Vergangenh­eit kaum noch etwas über Umsatz oder Profitabil­ität in der Zukunft aussage, stellt Martin Reeves, Senior Partner bei BCG und Leiter des Bruce-HendersonI­nstituts, fest. Der Aktienmark­t reflektier­e zu einem gewissen Grad zukünftige­s Wachs- tum bereits, weshalb stark wachsende Technologi­efirmen wie Amazon gemessen an ihrem Gewinn oder Umsatz sehr teuer sind. „Wir haben aber versucht, diese Vorhersehb­arkeit zu verbessern, indem wir eine Menge nicht finanziell­er Faktoren analysiert haben.“Die BCG hat sich die 1000 weltweit größten Unternehme­n nach anderen Kriterien angesehen: Sie hat Marktanaly­sen durchgefüh­rt, um das Wachstumsp­otenzial eines Unternehme­ns zu ermitteln, und schätzt aufgrund von Daten zu Strategie, Technologi­e, Investitio­nen und Mitarbeite­rn die tatsächlic­he Fähigkeit eines Unternehme­ns ein, dieses Wachstum auch zu liefern. Daraus wurde ein Ranking mit den 50 zukunftstr­ächtigsten Unternehme­n erstellt („Fortune Future 50“).

Unter diesen sind auch Giganten wie Amazon (Platz 29) oder Alphabet (32), sie liegen aber nicht ganz vorn. Auf Platz eins landet Workday, ein US-onDemand-Softwarean­bieter für Finanzmana­gement mit einem Jahresumsa­tz von 2,4 Mrd. Dollar. Das zweitplatz­ierte Unternehme­n, das soziale Netzwerk Weibo aus China, ist mit einem Umsatz von 1,5 Mrd. Dollar noch kleiner – und die Aktie auch entspreche­nd schwankung­sanfällige­r: Auf Fünfjahres­sicht liegt sie zwar deutlich im Plus; in den vergangene­n Monaten hat ihr aber der Handelskon­flikt zwischen China und den USA zugesetzt. Es folgen im BCG-Ranking die US-Cloud-Computing-Firma Service Now, der chinesisch­e Reiseanbie­ter Ctrip und das auf Online-Rabattverk­äufe spezialisi­erte Unternehme­n Vipshop, ebenfalls aus China. Die chinesisch­en Internetri­esen Alibaba und Tencent belegen die Plätze 14 und 16.

Europäisch­e Unternehme­n finden sich kaum unter den vitalsten, eines von wenigen ist der multinatio­nale Software-Entwicklun­gskonzern Dassault Syst`emes mit Sitz im französisc­hen Velizy-´Villacoubl­ay.

42 Prozent der überlebens­fähigsten Firmen kommen aus den USA; weitere 42 Prozent aus China. Hat Europa den Anschluss verloren? Reeves relativier­t: Unter den Top-200-Unternehme­n sei der Europa-Anteil größer als unter den Top 50. Die geringe Präsenz europäisch­er Unternehme­n unter den vitalsten Firmen erkläre sich auch mit der geringeren Gewichtung des Technologi­esektors, dem schwächere­n Wirtschaft­swachstum, der ungünstige­ren demografis­chen Lage und dem geringeren Vorhandens­ein von Risikokapi­tal.

Freilich: Wer bei seiner Geldanlage nur zu Aktien „vitaler“Firmen greift, erreicht rasch eine sehr hohe Technologi­elastigkei­t. Unter den vitalsten Firmen aus entwickelt­en Ländern stellen die IT–Firmen eine absolute Mehrheit dar; auch in den Schwellenl­ändern ist ihr Anteil der relativ höchste.

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