Die Presse

Wegen Zwangsheir­at verurteilt

Strafrecht. OGH bestätigt erstmals Schuldspru­ch, Strafhöhe noch offen.

- VON BENEDIKT KOMMENDA Univ.-Prof. Clemens Jabloner war Präsident des Verwaltung­sgerichtsh­ofs und lehrt am Institut für Rechtsphil­osophie der Universitä­t Wien.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) hat erstmals eine Verurteilu­ng wegen Zwangsheir­at bestätigt: Indischstä­mmige Eltern mit österreich­ischen Pässen hatten versucht, ihre Tochter zur Eheschließ­ung mit einem ihr weitgehend unbekannte­n Mann zu nötigen. Die Tochter weigerte sich und versuchte, sich das Leben zu nehmen. Der Schuldspru­ch gegen die Eltern ist mit dem OGHBeschlu­ss (11 Os 78/18g) endgültig, die Strafhöhe jedoch noch offen.

Die Eltern drohten der jungen Frau an, sie nicht mehr sehen und nicht mehr unterstütz­en zu wollen, sollte sie den Mann nicht heiraten. Wie das Landesgeri­cht für Strafsache­n Wien sah auch der OGH darin eine versuchte Nötigung zur Heirat durch „Drohung mit dem Abbruch oder Entzug der familiären Kontakte“, wie sie seit Anfang 2016 in einer eigenen Strafbesti­mmung (§ 106a StGB) verboten ist. Der Umstand, dass die Tochter sich ihrem Schicksal ergeben habe und mit ihrem – von den Eltern – Auserwählt­en vor und nach der Verlobung bis zu deren Auflösung einvernehm­lichen Sex gehabt haben soll, steht laut OGH der Annahme der Nötigung nicht entgegen.

Auch mit der Behauptung, die Eltern hätten freiwillig von ihrem Versuch abgelassen, konnten sich die beiden nicht durchsetze­n: Denn sie konnten in keiner Weise darlegen, dass sie durch ausschließ­lich autonome Motive von ihrem Plan abgelassen hätten und nicht infolge des „schockiere­nden und drastische­n Widerstand­s“ihrer Tochter.

Der Schöffense­nat des Straflande­sgerichts hatte beide Eltern zu dreieinhal­b Jahren unbedingte­r Haft verurteilt. Über die dagegen erhobenen Berufungen muss jetzt das Oberlandes­gericht Wien entscheide­n.

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