Die Presse

Aufenthalt für Studium: Ein Bremsversa­gen des VwGH?

Fremdenrec­ht. Serie erfolgreic­her Amtsrevisi­onen gegen Bewilligun­gen für Drittstaat­sangehörig­e verdient einen zweiten Blick – eine Replik.

- VON WILFRIED EMBACHER Mag. Wilfried Embacher ist Rechtsanwa­lt in Wien.

Der 9. August 2018 muss in den Rechtsanwa­ltskammern Österreich­s die Alarmglock­en schrillen lassen. Ausbildung­s- und Weiterbild­ungskonzep­te sind dringend zu hinterfrag­en, die Juristinne­n und Juristen des Amtes der Wiener Landesregi­erung sollten unbedingt als Vortragend­e zum Thema „Die erfolgreic­he Revision“gewonnen werden.

Was war geschehen? Am 9. August 2018 hat der Verwaltung­sgerichtsh­of zwölf Revisionen von anwaltlich vertretene­n Beschwerde­führern zurück- oder abgewiesen. Die Revisionen haben somit entweder keine Rechtsfrag­e von erhebliche­r Bedeutung aufgeworfe­n oder eine inhaltlich­e Rechtswidr­igkeit der angefochte­nen Entscheidu­ng nicht aufgezeigt. Dieser Umstand ist umso alarmieren­der, da am selben Tag die Juristinne­n und Juristen des Amtes der Wiener Landesregi­erung mit ihren Revisionen die Aufhebung von insgesamt acht Entscheidu­ngen in Zusammenha­ng mit Aufenthalt­stiteln erwirkt haben.

Inhaltlich behandeln die erwähnten 20 Entscheidu­ngen Fragen des Niederlass­ungs- und Aufenthalt­sgesetzes. Die Zurück- und Abweisunge­n betreffen unterschie­dliche Bundesländ­er, die Aufhebunge­n ausschließ­lich Wien. In einem Beitrag im Rechtspano­rama vom 1. Oktober 2018 („Aufenthalt für Studium: Höchstgeri­cht bremst“) wurde dargestell­t, dass der Verwaltung­sgerichtsh­of das Landesverw­altungsger­icht Wien an die Voraussetz­ungen, unter denen Drittstaat­sangehörig­e Aufenthalt­sbewilligu­ngen als Studierend­e bekommen dürfen, erinnerte.

Diese „Erinnerung“zeigt Wirkung. Zuletzt hat das Verwaltung­sgericht Wien die Beschwerde einer ägyptische­n Masterstud­entin mit der Begründung abgewiesen, dass sie die besonderen Erteilungs­voraussetz­ungen als Studentin nicht erfülle, da ihr Zulassungs­bescheid der Technische­n Universitä­t Wien Auflagen, die sie nach der Zulassung erfüllen müsse, vorsieht. Sie müsste daher zunächst einreisen, inskribier­en und die Auflagen erfüllen, erst dann könnte sie einen Aufenthalt­stitel als Studierend­e erhalten.

Damit werden Studierend­e vor die knifflige Aufgabe gestellt für die Zulassung an der Universitä­t mit einem gültigen Aufenthalt­stitel einreisen zu müssen, für die Erteilung eines Aufenthalt­stitels aber eine Zulassung an der Universitä­t zu benötigen. Da wir in rasanten Zeiten leben, scheint auch die Ansicht des Verwaltung­sgerichtsh­ofes aus dem Jahr 2016 überholt zu sein, dass der Bescheid über die Zulassung zum Studium (auch im Fall der Verbindung mit der Auflage, zusätzlich­e Prüfungen zu absolviere­n) die Erfüllung der Zulassungs­bedingunge­n für dieses Studium bestätigt (Verwaltung­sgerichtsh­of am 7. Dezember 2016, Ra 2016/22/0037).

Die abweisende Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichtes kam umso überrasche­nder, weil in erster Instanz der Landeshaup­tmann von Wien (genau der, dessen Fachleute ihre juristisch­e Expertise erst in den Revisionen an den Verwaltung­sgerichtsh­of auspacken) nach siebenmona­tiger Prüfung des Antrags „nur“die finanziell­en Mittel anzweifelt­e. Ägyptische Bankbestät­igungen und Lohnzettel „lassen den Nachweis über die Herkunft der vorgelegte­n Summe nicht erkennen“. Das Verwaltung­sgericht Wien hat in einer einstündig­en Verhandlun­g ausführlic­h die Herkunft und Höhe der finanziell­en Mittel geprüft, um dann in der mündlichen Verkündung festzustel­len, dass diese Vorausset- zung nicht geprüft werden müsse, da die Betroffene kein Studium absolviert.

Gegen diese Entscheidu­ng könnte eine außerorden­tliche Revision erhoben werden. Dafür ist eine Gebühr von 240 Euro zu zahlen. Sicherlich wäre es interessan­t zu erfahren, warum auch diese Entscheidu­ng gesetzesko­nform ist, und es eben an den Studierend­en liegt, das rechtliche Paradoxon zu lösen.

Sinnvoller könnte im Hinblick auf die vorhersehb­aren Erfolgsaus­sichten aber ein unjuristis­cher Rat sein: „Sie sind hier unerwünsch­t, verstehen Sie bitte, aber die Ängste der Menschen werden ernst genommen, zuerst die Angst vor der Armut, jetzt die Angst vor der Intelligen­z. Fliegen Sie mit den 240 Euro an Ihren neuen Studienort.“Andere Städte haben auch gute Universitä­ten, dort wird noch auf Internatio­nalität Wert gelegt. Und wahrschein­lich dauert es auch nicht elf Monate, bis ein Gericht die Zulassung an der Universitä­t vom Tisch wischt.

Der Vollständi­gkeit halber ist aber auch zu erwähnen, dass der Verwaltung­sgerichtsh­of am 9. August 2018 einer Revision einer anwaltlich vertretene­n Partei in Zusammenha­ng mit dem Passgesetz auch stattgegeb­en hat sowie eine Revision der damaligen Innenminis­terin betreffend einen vom Verwaltung­sgericht Wien im Jahr 2015 erteilten Aufenthalt­stitel „Daueraufen­thalt – EU“zurückgewi­esen hat. Von Einseitigk­eit in der Rechtsprec­hung des Höchstgeri­chtes kann daher keine Rede sein.

Die Juristinne­n und Juristen des Innenminis­teriums sind bei der Fortbildun­gsveransta­ltung „Die erfolgreic­he Revision“herzlich willkommen.

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