Neuer Champion da, alter Regent dort
Analyse. Der Russe Karen Chatschanow triumphiert sensationell in Paris und marschiert weiter in Richtung Top Ten. Seit heute aber erlebt die Tenniswelt die bereits dritte Herrschaft des Novak Djokovi´c. Dieses Mal ist es eine Dominanz auf unbestimmte Zeit
In der Accor-Hotels-Arena in Paris-Bercy herrschen bekanntlich eigene Gesetze. Das zeigt schon ein Blick in die Siegerlisten des Masters-1000-Events im Osten der französischen Hauptstadt (2017: Jack Sock), vor allem aber ein Blick auf die Namen der Finalisten (2017: Filip Krajinovic).´ Jedenfalls ist das Turnier seit Sonntag um ein solches Kapitel reicher. Der 22-jährige Russe Karen Chatschanow besiegte im Endspiel sensationell Novak Djokovic´ 7:5, 6:4, gewann damit seinen ersten Titel der zweithöchsten Turnierkategorie und seinen vierten auf der ATP-Tour insgesamt. Bemerkenswert: Chatschanow hat in Paris gleich vier Top-TenSpieler in Folge geschlagen (John Isner, Alexander Zverev, Dominic Thiem und eben Djokovic).´ „Eine meiner besten Wochen. All die harte Arbeit mit meinem Team hat sich ausgezahlt“, meinte der 1,98-Meter-Mann aus Moskau, der nun als Nummer elf der Weltrangliste ein neues Karrierehoch erlebt.
Ganz oben aber thront seit heute wieder der 31-jährige Djokovic.´ Die Finalniederlage in Paris – der Serbe war angeschlagen von einer Grippe, die ihn in den vergangenen Tagen geplagt hatte, und dem hochklassigen Drei-Stunden-Marathon am Vorabend gegen Roger Federer – kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Djokovic´ ist, der die Tenniswelt auf unabsehbare Zeit beherrschen wird. Bis Mai 2019 hat er nur 290 Punkte zu verteidigen, ein Viertelfinale bei den Australian Open im Jänner würde dafür schon reichen, alles darüber hinaus seinen Vorsprung von 565 Punkten auf Rafael Nadal nur noch weiter vergrößern.
Mit einem Sieg über Chatschanow begann vor vier Monaten der Erfolgslauf von Djokovic.´ In Wimbledon besiegte er den Russen noch klar in drei Sätzen, der Titel im All England Club war der Startschuss für 31 Siege aus 32 Partien. Unterbrochen wurde die Serie einzig durch Stefanos Tsitsipas in Toronto, beendet wurde sie nun von Chatschanow in Paris. Zuvor hatte Djokovic´ drei Turniere en suite gewonnen. Von Platz 21 im Ranking (Anfang Juli) stürmte er in vier Monaten zur Nummer eins. „Im Moment genieße ich den Wettbewerb. Wenn du viel Selbstvertrauen hast, gehst du anders ins Training und ins Match.“
Der härteste Rivale ist ein 37-Jähriger
Nun folgen die World Tour Finals in London, das Saisonfinish der besten acht Spieler des Jahres. Heute wird ausgelost. Bis zum Auftakt am Sonntag wird sich Djokovic´ erholt haben, er ist der Titelfavorit. Auf dem schnellen Belag der O2-Arena kann er seine Returnstärke ausspielen, von der Grundlinie ist ihm aktuell ohnehin niemand gewachsen.
Rivalen sind auch 2019 kaum in Sicht. Mit der Ausnahme von Alexander Zverev (1:1) hat der Serbe gegen alle Profis aus den Top Ten (Durchschnittsalter 30,25 Jahre) eine positive Bilanz. Doch die jüngere Garde ist noch zu unkonstant, das ungleiche Duell mit Chatschanow kaum aussagekräftig. So war es ausgerechnet der 37-jährige Federer, der Djokovic´ zuletzt den härtesten Kampf geliefert hat. „Novak hat offensichtlich einen Lauf. Das kann man fühlen“, sagte Federer.
Spätestens mit dem Titel bei den ATP Finals hätte Djokovic´ wieder seine Dominanz von 2011 und 2015/2016 erreicht. Seine erste Herrschaft beendete Federer, der auch seine damalige Serie von 43 Siegen in Folge stoppte. Die zweite beendete der Serbe gewissermaßen selbst, mit Verletzungen und einem Motivationsloch nach dem French-Open-Titel 2016, dem letzten großen Ziel seiner Karriere. Beide Szenarien sind dieses Mal wohl ausgeschlossen.
ATP WORLD TOUR FINALS
Das Teilnehmerfeld für das Saisonfinale der besten acht Tennisspieler des Jahres in der Londoner O2-Arena (ab 11. November) besteht aus Novak Djokovic,´ Rafael Nadal, Roger Federer, Alexander Zverev, Kevin Anderson, Marin Ciliˇc,´ Dominic Thiem und Kei Nishikori. Die Auslosung erfolgt heute Abend in London (20 Uhr MESZ).
Dominic Thiem, Nummer acht der Welt, hat sich zum dritten Mal in Folge für das mit 8,5 Millionen Dollar dotierte Turnier qualifiziert. Der Weltranglistenvierte Juan Mart´ın del Potro hat nach einem Kniescheibenbruch endgültig für London abgesagt.