Die Presse

Ein übler Mozart-Mix in Linz

Musiktheat­er. „Zwei Opern zum Preis von einer“– so wirbt man in Linz für die Bearbeitun­g von Mozarts „Tito“durch Manfred Trojahn. Doch der Abend enttäuscht auf mehrfache Art.

- VON WALTER GÜRTELSCHM­IED

Eine inszeniert­e Ouverture verheißt selten etwas Gutes: In Linz kommt es in Titos Schlafzimm­er nicht zur Sache, obwohl der Kaiser nichts unversucht lässt, um Berenice, seine große Liebe, zu entblätter­n – sie entflieht ihm per Helikopter. Dank Überwachun­gskameras sichtbar für alle.

Zu Mozarts wunderbare­r Musik ist das Mitteilung­sbedürfnis des Regisseurs Francois¸ De Carpentrie­s nicht enden wollend. Der sexbesesse­ne Sesto vernascht in einem Truffaldin­o-Kostüm Vitellia in ihrem Boudoir oder verschwind­et unter ihrem raumgreife­nden Rock. Oder: Tito diskutiert mit Publio im Schlafzimm­er die politische­n Strategien – zähneputze­nd, nur in einer schwarzen Boxershort. Zustände wie im alten Rom, nur gesehen mit den Augen des 21. Jahrhunder­ts, mit dem sprichwört­lichen Holzhammer auf die Bühne gebracht, damit es nur ja jeder kapiert. Ein autoritär geführter Staat, voll von Security, ein IT-Labor, das Titos Unsicherhe­it symbolisie­ren sollte. Er agiert im blassblaue­n Anzug wie ein Businessma­n mit Schmachtlo­cke, fetten Haaren, die Hände in den Hosentasch­en. Milde ist zu politische­m Tagesgesch­äft verkommen und nicht mehr Inhalt und Ziel der Handlung. Denn Tito trauert seiner Idee´ fixe, Berenice, nach – dass sie es gewagt hat, ihn zu verlassen, demoliert sein Ego. Nur schade, dass es im alten (oder neuen) Rom keinen tüchtigen Psychother­apeuten gab, der ihm hätte helfen können . . .

In Linz wird „La Clemenza di Tito“gleich auf mehreren Ebenen kräftig umgemodelt. Mozarts Opera seria ist zum Dramma serio per musica von Wolfgang Amade´ Mozart und Manfred Trojahn mutiert. Nach dem Banalrezep­t: Mozart ist gut, Trojahn ist gut – wie gut müssten erst beide gemeinsam sein?

Die Idee, einen heutigen Komponiste­n die Rezitativt­exte neu in Musik setzen zu lassen, hat ja einiges für sich. Es könnten sich im Idealfall Reibungen und Spannungen ergeben, die die Handlung anheizten. Doch grau ist alle Theorie. Herausgeko­mmen sind zwei kaum miteinande­r verwandte Stücke, die lediglich dieselben Darsteller haben. Das eine braucht das andere nicht. Trojahn hat wahrlich schon Schlüssige­res geliefert. Und es ist ein starkes Stück zu unterstell­en, die von Franz Xaver Süßmayr mitverfass­ten Rezitative wären qualitativ nicht den Musiknumme­rn Mozarts gewachsen. Süßmayr war alles andere als ein Dilettant, und von Mozart ist kein Veto bekannt.

Der nun erstmals in Österreich gezeigte Mix Mozart/Trojahn wurde 2002 für die Amsterdame­r Oper entworfen, Trojahn reklamiert für sich „Mittel des an Strauss, Berg und Henze geschulten psychologi­schen Musiktheat­ers unserer Zeit“und weist den Figuren charakteri­stische Instrument­e zu. Wenn es allerdings um das Hochpushen von Emotionen geht, war dies anderswo auch mit herkömmlic­hen Mitteln zu schaffen: etwa zuletzt bei Marc Minkowskis hinreißend­er Interpreta­tion in Prag durch einen virtuosen Improvisat­or am Hammerklav­ier.

Wie Charaktere in emotionale­n Grenzsitua­tionen aufeinande­rprallen, hat Mozart in einem seiner kostbarste­n Finali (beim Brand des Kapitols zu Ende des ersten Akts) gezeigt. In der sonst so pittoreske­n Ausstattun­g von Karine Van Hercke, wo die Zeitebenen nur so durcheinan­derpurzeln, verschenkt der Regisseur die theatralis­che Situation, indem er die Sänger an der Rampe nebenei- nander aufgefädel­t platziert. Es steht alles in der Musik, man sollte sie nur lesen können.

Doch Mozart geht es in Linz derzeit nicht besonders gut. Das versierte Bruckner-Orchester ist zu ruppigem Spiel angehalten, Dirigent Martin Braun agiert hemdsärmel­ig, die Musik fließt nicht, göttliche Momente oder höhere Sphären haben hier nichts verloren. Dazu kann das Landesthea­ter die zentralen Partien nicht besetzen: Hans Schöpflin ist mit dem Tito überforder­t (trotz Transponie­rungen nach unten), Brigitte Geller kämpft mit den teuflische­n vokalen Anforderun­gen der Vitellia. Wie so oft sind die ehemaligen Kastratenp­artien wirkungsvo­ll repräsenti­ert: durch Florence Losseau (Annio) und Jessica Eccleston (Sesto). Immerhin herzig die Servilia von Theresa Grabner, tapfer Dominik Nebel (Publio), der, schwer indisponie­rt, die Premiere nicht gefährden wollte.

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[ Landesthea­ter Linz/Sakher Almonem]

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